Zwanzigstes Kapitel.

[67] Wie der Sophist sein Tuch davon trug, und wie er mit den andern Meistern Prozeß bekam.


Der Sophist hätt nicht sobald geendigt, da brachen Ponokrates und Eudämon in ein so gründlichs Gelächter aus, daß sie den Geist Gott aufzugeben vermeineten, nicht mehr[67] noch minder als Crassus da er den Eselshengst sah Disteln fressen, und als Philemon, welcher über einen Esel der die zum Imbiß ihm bestellten Feigen aufaß, vor Lachen starb. Nebst ihnen fing auch Meister Jonas mit in die Wett zu lachen an was hast was kannst, daß ihnen sämmtlich das Wasser aus den Augen schoß durch die heftige Erschüttrung der Hirn-Substanz, der diese zährliche Feuchtigkeit erpreßt und die optischen Nerven entlang verflösset ward. Wodurch von ihnen Demokritus Heraklitizans und Heraklitus Demokritizans getreulich repräsentiret wurden.

Als nun dieß Lachen gänzlich gestillet, berathschlagt' sich Gargantua mit seinen Leuten was zu thun wär. Da rieth Ponokrates daß man den schönen Redner wiederum über den Humpen schicken sollt: und weil er ihnen mehr Kurzweil und Lachen als kein Schnaken-Traum nimmermehr bereitet hätt, so sollt man ihm die in der lustigen Red erwähnten zehn Stab Würst gewähren, auch ein Paar Hosen, dreyhundert Scheit Stockholz, fünf und zwanzig Ohm Wein, ein Bett mit dreyfachen Decken von Gänseflaum und eine ziemlich weite und tiefe Platten, welches, wie er sagt', seinem Alter vonnöthen wäre. Solches alles ward vollstreckt wie es der Rath beschlossen hätt'; nur, daß Gargantua, zweifelhaft ob man für seine Bein auch auf der Stell die paßlichen Hosen möcht finden, und ungewiß auf welche Weis sie dem Legaten am besten stünden, auf Martingalisch, (welches ein Arß-Fallbruck ist, um leichter zu schiessen,) oder auf Schiffmännisch zu mehrer Nieren-Erlustigung, oder auf Schweizerisch, daß das Ränzel fein warm stäk, oder auf Stockfischschwänzenart aus Sorg die Lenden zu erhitzen,[68] ihm sieben Elen schwarzes Tuch und dreye weissen Barchents zu dem Unterfutter verehren ließ. Das Holz ward ihm von den Tagelöhnern heimgefertigt, die Magistri trugen die Würst und die Platten, aber das Tuch wollt Meister Jonas selber tragen. Da stellt ihm einer der Magistri, Jobst Bandusel mit Namen, für, daß dieß nicht schicklich noch wohlanständig für seinen Stand wär und er es einem von ihnen zu tragen geben sollt. Ha, Esel! Eselskopf! schrie Jonas, schliessest weder in modo noch figura. Wofür haben wir die parva logicalia und suppositiones? Pannus pro quo supponit? Confuse, antwort Bandusel, et distributive. Ich frag nicht, du Esel, spricht Jonas, quomodo supponit sondern pro quo? Pro tibiis meis, Eselskopf! Und derhalb will Ichs Ergomet tragen sicut suppositum portat appositum. Und also trug ers ducklings davon, wie Patelin sein Tuch gewann. Aber das Best war, wie der Huster ganz keck in öffentlicher Versamlung bey den Mathurinern, seine Hosen und Würst noch einmal fordert'; denn sie wurden ihm peremptorie abgeschlagen, weil er sie, laut darüber erhohlter Zeugniß schon vom Gargantua erhalten hätt. Er replizirt' dagegen es wär solchs gratis und eine freiwillige Gab von ihm gewesen, wodurch sie mitnichten ihres Versprechens entledigt wären. Es ward ihm aber zur Antwort gegeben, daß er sich eines Billigen vergnügen sollt und für ihn weiter nix setzen würd. Was Billigen! sprach Jonas: billig! es ist nicht Brauchs hie unter uns; ihr leidigen Verräther taugt den Teufel nicht, der Boden trägt kein ärger Schelmenvolk als ihr seyd. Ich kenn euch wohl, o hinket nur nicht vor den Lahmen. Denn ich hab die Schelmerey mit euch getrieben. Beym heiligen Milz! dem König will ich die gräulichen Frevel die hie im Schwang gehn, offenbaren; all eure Ränk und Diebskniff:[69] und der Aussatz treff mich wenn er euch nicht all lebendig verbrennen läßt als Buker, Ketzer, Landsverräter, Leutverführer, als aller Tugend und Gottes Feind'!

Auf diese Wort stellten sie wider ihn Artikel: er an dern Theils citirt' sie und setzt' ihnen ein Tag. In Summa, der Prozeß ward bey dem Hofgericht anhängig und hängt noch da. Die Magistri schwuren von Stund an sich den Dreck nicht eher abzufegen, und Meister Jonas samt seinem Anhang, sich die Nas nicht eher zu schneuzen bis drüber durch endlichen Spruch erkannt wär.

Von dem Gelübd an sind sie dreckig und rotzig verblieben bis diesen Tag: denn das Gericht hat noch nicht alle Punkt und Stücken zu End ergrabelt. Der Spruch soll auf den nächsten griechischen Neumond gefällt werden, das will sagen nimmermehr. Wie ihr denn wißt, daß diese Leute mehr können, als selbst die Natur, und wider ihre eignen Artikel thun. Die Pariser Artikel lauten, Gott allein könn unendliche Sachen machen. Natur macht nichts unsterblich, denn was sie erschafft, dem setzt sie auch ein End und Ziel, denn omnia orta cadunt, etc. Hergegen diese Nebelbalger machen die bey ihnen schwebenden Rechtsstreit beydes unendlich, und unsterblich. Womit sie des Lacedämonischen Chilons zu Delphi geheiligten Ausspruch verifizirt und bestätigt haben, welcher heißt: Armseligkeit sei der Prozeß Gefährtin, und Prozessirer armselige Leut. Denn viel eher erlangt ein End ihr Leben als das Recht so sie fürgeben.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 67-70.
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