Fünf und Zwanzigstes Kapitel.

[87] Wie zwischen den Weckenbäckern von Lerné und des Gargantuä Landsassen der grosse Streit entstund, daraus ein schwerer Krieg erwuchs.


Zu selbiger Zeit, es war um die Weinles und Herbsten Anfang, hütheten die Hirten des Landes draussen der Reben, auf daß die Staaren die Trauben nicht frässen. Um[87] die Zeit kamen die Weckenbäcker von Lerné mit zehn bis zwölf Karren-Lasten Wecken, die sie zur Stadt führen wollten, den grossen Heerweg daher gefahren. Gedachte Hirten nun baten sie bescheidentlich ihnen für ihr Geld davon nach dem Marktpreis etliche abzustehen. Denn ihr sollt wissen, daß es zum Frühstück ein recht himmlisch Futter ist: frische Wecken mit Trauben, zumal zu den Zirbeln, Knusseln, Muskateller, Spantrauben und dem Rumor wenn einer etwann verstopften Leibes ist; denn sie treibens von einem Knebelspießlang, und oft, wanns denken ein Fürzlein zu lassen, fällt noch was anders für; daher man sie nur die Weinbergsdenker heißet. Ihrem Begehren aber wollten die Weckenbäcker keineswegs willfahren, ja (was noch noch ärger war) schimpften sie auch noch gröblich aus, und schalten sie Breitmäuler, fratzige Rothköpf, Zähnklaffer, Schabkrätzer, Haverlinger, Bettseicher, Duckmäuser, Tagedieb, Schlecker, Lubbel, grobe Hachen, Taugenix, Lümmel, Schwengel, Brockenschnapper, Leutfopper, Luleys, saubere Ziemer, Lappscheisser, Hoderlumpen, Mollköpf, Knollfinken, Hundstaschen, Hetzenschwätzer, Hanswürst, Zähnknapper, Kuhfläder, Dreckhirten, und noch mehr dergleichen ehrenrührige[88] Wort: und sagten ihnen dabey, sie wären nicht werth, solch edle Wecken zu fressen, sondern grob Kleyenbrod und Haberhecht thäts ihnen auch. Auf solchen Unbill trat einer von ihnen namens Forgier, ein wohlgestalter wackrer Mann und schmucker Junggesell herfür und antwortet ihnen sänftlich: Ey, seit wann sind euch die Hörner g'schossen, daß ihr so bockstolz worden seyd? Ihr pflegtets doch sonst uns gern zu geben, und jetzund weigert ihr euch? Das ist nicht nachbarlich, und wir machens nicht also, wenn ihr bey uns die gute Frucht hohlt zu euren Fladen und Butter-Wecken. Man hätt euch von unsern Trauben wohl noch obenein in Kauf gegeben. Aber bey dem heiligen Kindsdreck! es kann euch gereuen, und kann sich noch schicken, daß ihr einmal mit uns zu tun kriegt; so wollen wir euch mit gleicher Münz beschlagen, und da gedenket dran. – Darauf fing Marcket, Groß-Knüttelführer der Wecken-Brüderschaft an, und sprach zu ihm: wahrlich du machst dich mächtig batzig diesen Morgen; hast nächten g'wiß zuviel Hirsbrei gessen. Komm her, komm her ich will dir von meinen Wecken reichen. – Da trat Forgier in aller Einfalt zu ihm hin und zog einen Dreier aus seinem Leib-Gurt, vermeinend Marcket sollt ihm von seinen Wecken austhun. Aber er gab ihm mit seiner Geisel ein so feuchtes um die Bein, daß die Knöpf darinnen stunden, und flugs reiß aus, und wollt davon fliehn. Aber Forgier schrie Zeder-Mordio was er konnt, und warf ihm zugleich einen dicken Klippel nach, den er unter dem Arm trug, womit er ihn an die Kron-Rath des Haupts über der krotaphischen Ader der rechten Seit so gründlich traf, daß Marcket von der Mären fiel, und mehr einem todten Menschen glich als einem lebendigen.

Mittlerweilen liefen die Meyer, die da herum Nüß schwungen, mit ihren langen Bengeln herbey und draschen diese Weckenbäcker, wie grünes Sommerkorn zusammen. Deßgleichen kamen die andern Hirten und Hirtinnen auf des Forgier Geschrey mit ihren Schleudern und Schlingen und sausten mit grossen Wackensteinen so haarscharf hinter ihnen drein, daß man vermeint' es hagelt'. Hohlten sie endlich ein, und nahmen von ihren Wecken ohngefähr vier bis fünf Dutzend, zahltens ihnen jedoch nach dem gebräuchlichen[89] Anschlag, und schenkten ihnen noch dazu ein hundert Wallnüß und drey Korb Gutedel. Darnach halfen die Weckner dem Marcket wieder auf seine Gurr, denn er war schmählich blessiert, und kehrten wieder heim gen Lerné, liessen den Weg auf Pareillé für dießmal liegen, schwuren aber hoch und theuer und bedräuten alle Hirten, Schäfer und Meyer von Seuillé und von Sinays schwer. Als dieß vollbracht war, liessen sichs die Hirten und Hirtinnen bey den Wecken und edeln Trauben trefflich wohl seyn, schwenkten sich nach der muntern Bockspfeif miteinander im Kreis herum, und spotteten der großmauligen Herren Wecken-Ritter, daß sie so übel angeloffen, weil sie sich nicht mit der guten Hand frühmorgens das Kreuz gesegnet hätten: und wuschen dem Forgier mit groben Rüßlingen so säuberlich die wunden Bein, daß er bald heil ward.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 87-90.
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