Vier und Dreyssigstes Kapitel.

[112] Wie Gargantua von Paris aufbrach sein Land zu retten, und wie Gymnastes unter die Feind gerieth.


Um eben die Stund war Gargantua, der flugs nach Lesung des Briefes seines Vaters aus Paris gereist war,[112] auf seiner grossen Mär bereits über die Nonnen-Bruck gegangen, er selbst, Gymnastes, Ponokrates und Eudämon, die ihm auf Postpferden folgten. Sein übriger Anhang kam in gesetzten Tagereisen und führet ihm all seine Bücher und philosophisch Heergeräth nach. Als er gen Pareillé kam, zeigt ihm der Sennenmeyer von Gouguet an, wie Pikrocholus sich in Clermaldsburg verschanzt und den Hauptmann Kuttler mit vieler Mannschaft vorausgeschickt hätt, den Forst von Vede und Vaugaudry zu überrumpeln: und daß sie bis zur Billards-Kelter das Huhn im Topf ergaterten: der Muthwill wär schier unerhört und kaum glaublich, den sie im Land verübten: also daß er ihm Schrecken einjagt' und nicht gleich wußt was er beginnen noch sagen sollt. Aber Ponokrates rieth ihm beym Herren von Vauguyon erst einzusprechen, der von jeher ihr alter Bundesfreund gewesen war und ihnen in allen Stücken bessern Bescheid könnt geben: ritten also gleich zu ihm hin und fanden ihn auch wohl gesonnen ihnen zu helfen. Und war sein Rath daß er Etliche seiner Leut auf Erspähung des Landes ausschicken sollt zu erforschen wie der Feind sich hielt, damit man nach gegenwärtigem Stand der Ding einen Zuschnitt machen könnte. Gymnastes erbot seine Dienst dazu, ward jedoch für sicherer befunden daß ihn Einer begleiten sollt der alle Steg und Schleifweg, auch Gewässer der Gegend wohl innen hätt. So ritt er dann mit Vorleck, dem Knappen des von Vauguyon aus, und spionirten unerschrocken nach allen Seiten, während Gargantua mit seinen Leuten sich etwas letzt', ein wenig futtert', auch seiner Mär ein Mäslein Haber aufschütten ließ, das vierundsiebzig Wispel und drey Scheffel hielt. Gymnastes ritt mit seinem Gesellen so lang herum bis er die Feind ansichtig ward, die ganz zerstreut und ausser Ordnung alles raubten und stahlen was ihnen vor die Hand kam: und so weit sie ihn sahen rannten sie haufenweis auch schon herbey ihn auszuziehen. Er aber rief ihnen entgegen: Liebe Herren, ich bin ein armer Teufel! Ich bitt euch, habet Mitleid mit[113] mir. Ich hab noch etlich Thaler hie, die wolln wir mit einander versaufen: es ist aurum potabile: auch dieses Roß hie mag man verkaufen, euch meinen Willkomm zu bezahlen. Ist dieß getan, so behaltet mich bey euch. Denn der Mensch lebt nicht der Hühner besser mausen, spicken, sieden, braten, ja wills Gott transchiren und schnabuliren könnt als ich, der ich hie vor euch steh. Und für mein Proficiat trink ich hie aufs Wohlseyn aller guten Gesellen. Damit zog er sein Feldflasch aus, und ohn auch nur die Nas zu färben, thät er draus einen ziemlich derben.

Die Lümmel gafften ihn an und sperrten die Gurgeln schuhweit auf, ja hingen die Zungen wie Windhund lang, in Hoffnung nach ihm auch zu trinken; aber da kam ihr Hauptmann Kuttler just hergeloffen und wollt auch sehen was wär. Dem bot Gymnast sein Fläschlein und sprach: Nehmt Hauptmann, trinket frisch daraus! habs schon credenzt, es ist Gewächs von der Faye Moniau. – Was! schrie Kuttler, ich glaub der Cumpan da will uns foppen. Wer bist du? – Ein armer Teufel sprach Gymnast. – Ho, ho, spricht Kuttler, armer Teufel! So du das bist, ist billig daß du weiter trabest, denn arme Teufel gehn überall frey ohn Zoll und Geleit. Ist aber nicht bräuchlich, daß arme Teufel so wohl beritten seyn; darum Herr Teufel, steigt nur ab und her mit dem Klepper, und wenn er nicht gut zu reiten ist, so reit ich euch selber, mein Herr Teufel; denn solche Teufel reit ich gern.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 112-114.
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