Sieben und Dreyssigstes Kapitel.

[118] Wie dem Gargantua als er sich strälet', die Stückkugeln aus den Haaren fielen.


Nicht lange darauf, nachdem sie das Ufer der Vede erstiegen, kamen sie in Grandgoschierens Schloß an, der ihrer mit grossem Verlangen harrte. Herzten und drückten einander zum Willkomm mit offenen Armen; euer Leblang habt ihr nicht frohere Leut gesehen. Denn Supplementum Supplementi Chronicorum sagt, es wäre Gurgelmilte vor Freuden darüber gestorben: was dran ist, weiß ich nicht meines Orts, und kümmer mich auch fast wenig weder um sie noch sonst Eine. So viel aber ist lautere Wahrheit, daß, nachdem sich Gargantua mit frischen Kleidern angethan und mit seinem Sträl (der, hundert Stab lang, mit ganzen Elephantenzähnen bezahnt war), strählt', ihm auf jeden Zug über sieben Ballen Kugeln aus den Haaren fielen, so darinn bey Demolirung des Vedischen Forstes hangen geblieben. Welchs, als sein Vater Grandgoschier sahe, meint' er es wären Läus, und sprach zu ihm: Ey ey! mein lieber Sohn, bringst du die Sperber von Montagu uns so weit her? Ich dacht nicht daß du dorten hausirtest. – Da antwort ihm Ponokrates: Gnädigster Herr, denkt nicht daß ich ihn in dieß Läus-Collegium, welches den Namen Montagu führet, gethan hätt, lieber hätt ich ihn unter die Pracher von Sanct Innocenz geben wollen, wegen der schmähligen Unflätherey und Grausamkeit, die ich allda gesehn hab. Denn weit besser hält man die Sträfling unter den Mauren und Tartaren, die Mörder im peinlichen Gefängniß, ja wahrlich die Hund in Euerm Haus als diese armen Tropfen in selbem Collegio. Und wär Ich König zu Paris, der Teufel hohl mich wo ichs nicht ansteckt' und Prinzipal und Regenten zumal mit Feuer verbrennte, die solchen Abscheu vor ihren Augen verüben lassen. – Damit hub er eine der Kugeln auf, und[119] sprach: das sind Kanonenschläg die Euer Sohn Gargantua beym Forst von Vede verrätherisch von Euern Feinden aufs Haupt erhalten.

Aber sie habens wohl bezahlt; denn das Schloß hat sie all im Einsturz mit erschlagen, wie die Philister durch Simsons List, und wie die Achtzehn auf die der Thurn in Siloah fiel, von denen Lucä am dreyzehnten geschrieben stehet. Mein Rath wär, wir setzten ihnen nach, derweil das Glück noch mit uns. Denn die Gelegenheit hat all ihr Haar vorn auf der Stirn; ist sie entwischt, könnt ihr sie nicht mehr zurückerufen. Am Hinterhaupt da ist sie kahl, und kehrt nimmer wieder. – Wahrlich itzunder, sprach Grandgoschier, kann dieß nit seyn, denn ich will euch diesen Abend gastiren und heiss euch schönstens hie willkommen.

Auf diese Wort fing man das Nachtessen an zu rüsten, und briet zum Ueberschuß sechzehn Ochsen, drey Stärken, zweyunddreyssig Kälber, dreyundsechzig säugende Geißlein, fünfundneunzig Hammel, dreyhundert Milchferken im feinen Most, zweyhundert zwanzig Rebhühnel, siebenhundert Schnepfen, vierhundert Kapphähn von Loudun und von Cornouaille, sechstausend Küchlein und eben so viel Tauben, sechshundert Poularden, vierzehnhundert Häslein, dreyhundert drey Trappen und siebzehnhundert Schrothennen. Von Wildpret konnt man so bald nichts haben als eilf Keuler, die der Abt von Turpenay schickt', und achtzehn Stück Rothwild, welche der Herr von Grandmont herschoß, nebst hundert zwanzig Fasanen, die der Herr von Essars schickt' und etlichen Dutzend Ringeltauben, Wasservögeln, Krichenten, Rohrdommel, Regenpfeifer, Fluder, Frankolin, Böllhinen, Antvögel, Kibitzen, Flornen, Löffelgans, Möven, Reigel, Rohrhähn, Sichler, Störch, Grieltrappen, Oranen, Flambart (ist Phönikopterus), Scholucher, Kalekutische Hennen, vollauf[120] Kuskusu und Suppen die Hüll und Füll. Es hätt nicht Noth: zu leben gab es da überflüssig, und ward anständig zugericht durch Brühschleck, Quirlwein und Potporuri, Grandgoschiers Mundköch. Jonas, Michel und Spühlglas löschten den Durst aufs best.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 118-121.
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