Zwey und Vierzigstes Kapitel.

[132] Wie der Mönch seinen Gefährten Muth einspricht, und wie er an einem Baume hing.


So ziehn die edeln Streiter dann auf ihre Abentheuer aus, mit gutem Vorsatz zu erspähen wo sie den Feinden zu Leibe gehen, oder wovor sie sich hüthen müßten wenn der Tag der grossen erschrecklichen Schlacht käm. Und der Mönch spricht Ihnen Muth ein und ruft: Seyd nur ohn Furcht und Sorgen, Kinder! Ich führ euch sicher. Gott mit uns, und Sankt Benedikt!

Hätt ich die Kraft wie den Muth, potz Chrysam! Ich wollt sie euch wie einen Antvogel rupfen. Ich fürcht mich[132] vor nichts als dem groben Geschütz: doch weiß ich einen Segen dafür, unser Kloster-Küster lehrt' mir ihn; der schützt den Mann vor allen Kugeln; aber er wird mir eben nix helfen, denn ich setz keinen Glauben darauf. Aber mein Kreuzstock soll Teufel thun. Bey Gott! wenn einer unter euch wär, der etwann Duck-Ent machen wollt, ich sey des Teufels wo ich ihn nicht an meiner Statt zum Mönch mach und ihm mein Kuttenhalfter umzäun. Es ist ein Arzeney darinn für feige Leut. Habt ihr nicht von des Herrn von Meurles Windhund gehört, der gar ins Feld nicht taugen wollt, bis er ihm eine Mönch-Kutt an Hals hing? Bey des Herrn Leichnam, von Stund an entwischt' ihm weder Has noch Fuchs, und was mehr ist: alle Betzen im ganzen Land belegt' er, und war zuvor doch kreuzlahm, de frigidis et maleficiatis.

Der Mönch ritt, während er diese Wort im Zorn sprach, unter einem Nußbaum unfern des Weidichts: da spießt' ihm ein dicker Nuß-Zanken durch das Helm Visier. Nichts desto weniger stach er grimmig sein Pferd an, welches sporenscheu war und vorwärts bäumt'. Da läßt der Mönch, der sein Visier loshaken will, den Zügel gehen und hängt sich mit der Hand an die Aest, derweil das Pferd unter ihm durchlauft. Solchergestalt verblieb der Mönch am Nußbaum hangen, schrie Hülf und Mordio und protestirt' Verrätherey. Eudämon ward ihn zuerst gewahr und rief den Gargantua: Herr, Herr! kommt und sehet da den Absalon hängen! Gargantua kam, beschauet sich die Art und Contenance des Mönchs wie er da hing, und sprach zum Eudämon: Dem Absalon vergleicht ihr ihn? Das trefft ihr schlecht: denn Absalon behing an den Haaren, aber dieser beschorene Mönch hie henkt an den Ohren. – Ins Teufels Namen, helft mir, schrie der Mönch: ists itzund Spottens Zeit? Ihr mahnt mich an die Decretalien-Prediger; die lehren auch, wenn einer seinen Nächsten in Todesnöthen sieht, soll er bei Straf des dreyzackigen Bannstrahls ihn viel eher zur Beicht ermahnen und an den Gnadenstand, als ihm helfen.[133]

Wenn ich nur solche G'sellen einmal im Wasser zappeln seh, hart am Ersaufen, will ich ihnen auch anstatt der Hülf und Handreichung einen lieben langen Sermon de contemptu mundi et fuga saeculi halten und wenn sie dann stocksteif sind, aus der Patsch ziehen. – Halt doch still mein Schätzel, sprach Gymnast, wart bis ich komm, ich will dich langen, du artiger kleine Monachus!


Monachus in claustro

Non valet ova duo:

Sed, quando est extra,

Bene valet triginta.


Ich hab wohl bey fünfhundert sehn henken, aber keinen der mit so feinem Anstand gebaumelt hätt wie du, und stünds mir auch nur halb so wohl, so wollt ich baumeln mein Leben lang. – Habt ihr einmal bald ausgepredigt? ruft der Mönch, so helft mir dann um Gottes Willen, wenn ihrs nicht um des Andern wollt. Bey dem Kleid das ich trag, es soll euch tempore et loco praelibatis theuer zu stehen kommen.

Da sprang Gymnast von seinem Gaul, stieg auf den Nußbaum, hub den Mönch mit einer Hand bey den Achselbändern, und hakt' mit der andern sein Visier vom Zanken los; ließ ihn also zur Erden fallen, und sich darnach. Sobald der Mönch unten war, riß er sich sein ganzes Waffengeschmeid vom Leib und schmiß es Stück für Stück ins Feld, nahm seinen Kreuzstock und setzt' sich wieder auf sein Pferd das ihm Eudämon unterdeß gefangen hätt. So ritten sie lustig ihres Weges immerfort auf das Weidicht zu.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 132-134.
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