Vier und Vierzigstes Kapitel.

[137] Wie der Mönch sich seiner Wächter entledigt, und wie des Pikrocholi Fürtrab zerstreut ward.


Wie sie der Mönch so außer Ordnung davon sah stieben, muthmast' er wohl daß sie über Gargantua und sein Volk herfallen wollten, und betrübt' sich aus der Maasen sehr daß er ihnen nicht beystehen sollte. Darauf beschaut er sich seine beyden Wächter und sah ihnen an den Mienen an daß sie dem Haufen gern nachgerannt wären, auch von der Beut etwas zu erfischen, und allzeit nach dem Thal zu schielten da sie hinunter geritten waren. Zudem syllogisirt und sprach er bey sich selbst: dieß Volk hie weiß nicht viel vom Kriegsbrauch, denn sie haben nicht einmal einen[137] Eyd von mir genommen, noch meinen Fochtel mir abbegehrt.

Zuckt' also plötzlich ermeldten Fochtel, und hieb dem Schützen zur rechten Hand die Venas jugulares und die sphagitidischen Hals-Arterien nebst der Gurgel mitten durch, bis an die beyden Adenen: dann zog er den Streich zurück und zerschlitzt ihm zwischen dem zweyten und dritten Wirbel das Spinal-Mark. Da fiel der Schütz bocksteif zur Erden. Und der Mönch warf seinen Gaul linksum und strich auf den andern, der, als er seinen Gesellen todt, und den Mönch im Vortheil sahe, mit lauter Stimm ihn anrief: Ha! Herr Prior, ich geb mich! mein Herr Prior, mein Freund! mein Herr Prior! – Und der Mönch dagegen ruft wieder: Mein Herr Posterior! mein Freund! mein Herr Posterior! Jetzt kriegt ihrs auf eure Posteriora. – Ha mein Herr Prior! sprach der Schütz, mein Herzblatt, mein Herr Prior! Gott mach euch doch nächster Tag zum Abt! Bey meinem Chorrock den ich trag, antwort der Mönch, und ich will dich zum Kardinal machen! Ranzionirt ihr die Geistlichen? Ich will dir stracks mit dieser Hand den rothen Hut aufsetzen. – Und der Schütz in einem fort: Mein Herr Prior, Herr Prior, Herr zukünftiger Abt, Herr Kardinal, ach mein Herr Alles. Ha ha hes, nicht doch mein Herr Prior, mein lieber gnädigster Herr Prior, ich geb mich! – Und ich geb dich hiemit allen Teufeln, sprach der Mönch, und hieb ihm den Kopf ab auf einen Streich, der ihm über den Ossibus petrosis den Schädel zerspaltet', auch die beyden Ossa Bregmatis und Commissuram sagittalem nebst einem grossen Theil des Kronbeins mit wegnahm, da ihm dann zugleich die beyden Meninges zerschnitten wurden und die zween hintersten Hirn-Ventrikul weit aufgethan: und blieb der Schädel hinten am Perikran-Fell über den Achseln hängen[138] in Gestalt eines Doktor-Hütleins, oben Schwarz, inwendig roth. Da fiel der Mann maustodt zur Erden. Auf solche That gab der Mönch seinem Pferd die Sporen, und ritt dem Pfad nach, welchen die Feind einschlugen, die den Gargantua und seine Gesellen am Heerweg trafen und durch das unglaubliche Gemetzel das dort Gargantua mit seinem großen Baum, Gymnast, Ponokrates, Eudämon und die andern verführten, bereits an Zahl so verringert waren, daß sie sich hurtig zu flüchten begannen, schier wie verrückt und besinnungslos vor Furcht und Grausen, als ob sie des Todes leibhaftiges Bild und Gespenst mit offenen Augen sähen. Und wie ihr einen Esel seht dem eine Junonische Bräm im Steiß sitzt, oder wann eine Flieg ihn sticht, ohn Weg noch Steg hin und wieder rennen, sein Bürd abschütteln, Zaum und Riemen zerreißen, er hat kein Ruh noch Othem, und niemand weiß was ihn bewegt, denn niemand siehet was ihn anficht: also sinnlos floh auch dieß Volk, und wußten keine Ursach der Flucht, nichts trieb sie als ein panischer Schrecken, der ihre Seelen überfiel. Da nun der Mönch sah daß ihr Sinn allein aufs Fersengeben stund, sprang er von seinem Roß und stieg auf einen grossen Felsen am Weg, nahm seinen langen Fochtel und schlug mit runden Volten ohn Fint noch Schonung unter diese Flüchtigen drein, deren er so Viele erschlug und darnieder fällte bis ihm sein Fochtel in zween Stücke sprang. Alsdann gedacht er bey ihm selbst, daß nun des Mords und Todtschlags genug wär und daß man auch Etlich müßt laufen lassen die Zeitung zu bringen. Nahm also von einem der Erschlagenen ein Axt in die Faust und stellt sich wieder auf seinen Felsen zum Zeitvertreib, die Feind laufen zu sehen und wie sie über die Leichnam stürzten. Doch mußten sie ihm all ihre Picken, Degen, Speer und Büchsen lassen: auch demontirt' er die so die Pilger gebunden führten, händigt' den Pilgern ihre Pferd aus, und behielt sie nebst Staarenstören welchen er gefangen nahm, vor dem Hag bey ihm.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 137-139.
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