Fünf und Vierzigstes Kapitel.

[139] Wie der Mönch die Pilger einbracht, und wie ihnen Grandgoschier gute Lehren gab.


Nachdem dieß Scharmützel beendigt war, zog Gargantua mit den Seinen, ausser dem Mönch, nach Haus und erschienen mit grauendem Tag vor Grandgoschier, der Gott für sie in seinem Bett um Heil und Sieg bat. Und als er sie alle frisch und gesund sah, umarmt' er sie herzlich und fragt' gleich wie es um den Mönch stünd. Gargantua aber antwort ihm daß zweifelsohn die Feind den Mönch hätten. So wird er ihnen, sprach Grandgoschier, keinen Segen bringen. Wie auch wahr war, und ist daher noch das Sprichwort im Brauch: Einem den Mönch stecken. – Alsobald befahl er, den Imbiß aufs best zu rüsten damit sie sich erfrischen sollten. Und als alles nun bereit war, rief man den Gargantua; es thät ihm aber so leid daß sich der Mönch nicht sehen ließ, daß er weder essen noch trinken mocht. Urplötzlich kommt der Mönch daher und ruft schon von der Hofthür: Frischen Wein! ho frischen Wein, Gymnast, mein Freund! – Gymnastes lief hinaus und sahe daß es Bruder Jahn war, der fünf Pilger nebst Staarenstören gefangen brachte. Gargantua ihm also flugs entgegen, empfingen ihn aufs freundlichste und führten ihn zum Grandgoschier, der ihn nach all seinen Fahrten frug. Der Mönch erzählets ihm auch alles, wie er gefangen worden wär, wie er der Schützen sich entledigt, und das Gemetzel so er am Heerweg verübt, auch wie er die Pilger ertappt und den Hauptmann Staarenstör einbracht hätt. Darauf huben sie all mitsamen fröhlich zu bankettiren an.

Indeß erkundigt' sich Grandgoschier bei den Pilgersleuten, von wannen sie wären, woher sie kämen, wohin sie wollten. Renndichmüd antwort' ihm für alle: Herr, ich bin von Sainct Genou in Berry, dieser hie von Paluau, dieser von Onzay, dieser von Argy, und jener dort von Villebrenin. Kommen vom Sanct Sebastian bei Nantes und ziehen itzt allgemach[140] wieder heim, denn wir machen nicht große Tagmärsch. – Aber, frug Grandgoschier, was wollet ihr bey dem Sanct Sebastian thun? – Wir hatten uns, sprach Renndichmüd, wegen der Pest dahin gelobt. – Ach arme Leut! sagt Grandgoschier, meint ihr die Pest komm vom Sanct Sebastian? – Ey freilich, antwort Renndichmüd, unsre Prediger lehrens uns. – Ja? sprach Grandgoschier, lehren euch wirklich die falschen Profeten solch Lügenzeugs? Lästern sie dergestalt die Gerechten und Heiligen Gottes, daß sie sie den Teufeln gleichzustellen wagen, die dem Menschen nur Böses anthun? Wie Homer schreibt daß durch Apollo die Pest ins griechische Lager sey kommen, und wie die Poeten ein ganz Geschwader Vejoves und schädliche Götter erlügen. So predigt auch einmal zu Sinays ein Kuttner, daß Sankt Anton das Feuer in die Bein schickt', Sankt Eutropius Wassersucht, Sankt Gildas Narrren, und Sankt Genou das Zipperlein macht'. Aber ich statuirt' an ihm, wie sehr er mich einen Ketzer schalt, ein solch Exempel, daß seit der Zeit auch nicht ein Kuttenzipfel mehr in meinem Land sich hat blicken lassen. Und nimmt mich wunder wie euer König in seinem Reich solch Aergerniß nur predigen läßt; denn man sollt sie härter bestrafen als die durch Zauber und andre Künst die Pest ins Land ziehen. Die Pest, die tödet nichts als den Leib, aber diese Gauner und Leutbetrüger vergiften die Seelen. – Während er annoch so sprach trat auch der Mönch ganz keck herzu und frug sie: Nu, woher des Landes, ihr armen Gäuch? – Von Sainct Genou, antworten sie. – Und wie lebt, sprach der Mönch, Abt Tranchelion, der gute Zecher? Wie schmeckts den Mönchen? beym Kreuz Gottes, während ihr auf der Romfahrt wallet, kehren sie euch die Weiber herum. – Hin han, sprach Renndichmüd, vor meiner hab ich kein Sorg nit, denn wer die am Tag sieht, wird sich[141] den Hals nicht drum brechen daß er bey Nächten zu ihr komm. – Da lauft ihr schief an, sprach der Mönch, und wenn sie so schwarz als Proserpina wär; bey Gott sie kriegt doch die Saccad wo Mönch im Gau sind. Ein guter Tischer bohrt alle Bohlen. Ich will die Räud han wo ihr nicht, wenn ihr heimt kommt, eure Weiber gesegneten Leibes findet; denn wo ein Kloster-Thurn auch nur den Schatten hinwirft, da verfängts.

Dies wär ja, sprach Gargantua, schier wie mit dem Nilwasser in Aegypten, wo ihr dem Strabo und Plinius Libr. VII. Cap. 3 glaubt. Was werden da erst gute Bissen und Kleider und Leiber wirken? – Nun so gehet dann, sprach Grandgoschier, ihr armen Leut, in des allmächtigen Gottes Namen, der euer steter Geleitsmann sey; und seyd hinfort nicht so geschwind zu diesem faulen unnützen Wandern. Stehet euerm Haushalt für, ein jeder schaff das Sein dazu er berufen ist, zieh seine Kinder, und thu wie ihn der liebe Apostel Sankt Paulus lehret.

So ihr dieß thut wird Gott und seine Engel und Heiligen euer Schild seyn und keine Pest noch sonst ein Uebel euch schaden dürfen. – Darauf führt sie Gargantua in den Saal, mit Speiß und Trank sie zu erquicken, aber die Pilger thäten nichts weiter als seufzen und sprachen zum Gargantua:

O wie glückselig ist doch das Land, das einen Solchen zum Herrn hat! Seine Reden die er uns itzund hielt, haben uns mehr belehrt und erbauet als alle Predigten daheim. – Das ist es, sprach Gargantua, was Plato Lib. V. de repub. meinet, daß alsdann ein Regiment wohl würd bestellt seyn, wenn entweder die Könige philosophiren, oder auch die Philosophen regieren würden. Drauf ließ er ihnen in ihre Taschen zu essen, und Wein in ihre Flaschen thun, und gab auch einem jedem ein Pferd zum Ausruhn auf der übrigen Reis, nebst etlichen Carolis zur Zehrung.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 139-142.
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