Sechs und Funfzigstes Kapitel.

[166] Wie die Ordensbrüder und Schwestern von Thelem gekleidet gingen.


Die Frauen in der ersten Zeit der Stiftung kleideten sich nach ihrem eignen Wohlgefallen und Belieben. Nachmals aber wurden sie reformirt wie folgt, mit ihrer freyen Genehmigung: Sie trugen Hosen von Scharlach oder Granatfarb; selbige Hosen gingen genau drey Finger breit bis übers Knie, und war der Saum daran aufs schönst gestickt und ausgezackt. Die Hosenbendel waren von eben derselben Farb wie die Armbänder und beschlossen das Knie zu oberst und unterst. Die Socken, Schuh und Pantöfflein, von Karmesin- oder Violettsammt, krebsnasenförmlich ausgeschlitzet.

Ueber das Hemd ward angezogen die schöne Vasquine von feinem Heiden-Camlot: darüber warfen sie die Verdugale von Tafft, weiß, roth, lohfarben, grau, etc. Darüber den Rock von Silbertafft mit Stickereyen in feinem Gold, hohlnädlich verschlungen; oder auch nachdem ihnen gut und der Wittrung gemäß schien, von Atlaß, Damast, Sammt, orangen, lohfahl, grün, aschgrau, bläulich, hellgelb, weiß, karmesinroth, Goldbrokat oder Silberstoff mit Besatz und Cantille nach den Festen. Die Roben waren nach der Jahreszeit, von Goldstoff mit Silberfrisur, von rothem Atlaß mit Golden-Cantill, von weissem, blauem, schwarzem oder bräunlichem Tafft, von Seiden-Sarsch, Seiden-Camlot, Sammt, Silberstoff, Silberbrokat, Franzgold, von Sammt oder Atlaß in den verschiedensten Mustern mit Gold durchfadmet.[166]

An manchen Tagen im Sommer trugen sie statt den Roben schöne Marlotten mit Putz wie oben, oder auch Bernen à la Moresque, von Violet-Sammt mit Goldfrisur auf Silber-Cantille, oder mit güldnen Schnüren, auf den Knötlein mit kleinen indianischen Perlen besetzt. Und immer den schönen Federstutz, nach den Farben der Aermel-Aufschläg, wohl besetzt mit güldenen Flunkern. Im Winter Roben von Tafft in obigen Farben, verbrämt mit Luchs, mit schwarzem Hermelin, Kalabrischem Marder, Zobel und anderm köstlichen Pelzwerk. Die Paternoster, Halsgeschmeid, Ring, Ketten waren von feinen Juwelen, Karfunkeln, Rubinen, Balasen, Demanten, Saphiren, Smaragden, Türkisen, Granaten, Agathen, Beryllen, Perlen und auserlesenen Tropfen. Der Hauptschmuck war nach der Zeit: im Winter Französisch, im Frühjahr Spanisch, im Sommer Toskanisch, ausgenommen die Fest und Sonntag, da sie Französisch gingen, weil es ehrbarer ist, und mehr nach keuscher Matronen Art.

Die Männer waren nach Ihrer Weis gekleidet: Hosen, zu unterst, von Stammet oder Tuch-Sarsch in Granaten, Scharlach, weiß oder schwarz: zu oberst von Sammt in gleichen oder ähnlichen Farben, gestickt und gemützert nach ihrer Erfindung. Das Wams von Gold-, von Silberstoff, Sammt, Damast, Atlaß oder Tafft in denselben Farben, ebenmässig gestickt, staffirt, gemützert. Die Nestel von Seiden gleicher Farb; die Stift daran von feinem Goldschmelz. Die Schauben und Leibröck von Goldbrokat, Goldstoff, Sammt, Silberbrokat beliebig durchfadmet. Die Mäntel eben so kostbar wie bey den Roben der Frauen. Die Gürtel von Seiden nach der Farb des Wamses. An der Hüft ein Jeder sein schönes Schwert mit güldnem Griff, mit sammtener Scheiden von Farb der Hosen, die Spitz von Gold mit künstlicher Arbeit. Der Dolch deßgleichen. Das Barett von schwarzem Sammt mit vielen güldnen Spangen und Bollen besetzt; darüber die weisse Feder, zierlich geschärtelt mit güldnen Flindern, daran hingen Berlocken von schönen Rubinen, Smaragden etc.[167]

Aber so groß war die Einigkeit zwischen den Männern und Frauen, daß sie tagtäglich überein gekleidet gingen: und um hiegegen nie zu verstossen, waren besondre Cavalier dazu angestellt, es jeden Morgen den Männern zu melden welche Farb an selbigem Tag den Frauen zu tragen gefällig wäre. Denn alles und jedes ward nach der Frauen Belieben gethan; und denkt nur nicht daß mit so reichem, stattlichen Anzug je Einer oder Eine von ihnen irgend Zeit verloren hätt. Denn die Garderobemeister hatten sämmtliche Kleider auf jeden Morgen so flink bei der Hand, und die Kammerfrauen waren so trefflich eingeübt, daß sie in einem Augenblick von Kopf zu Fuß gekleidet waren.

Und um sothane Geschmeid und Anzüg in desto besserer Ordnung zu halten, stund in der Näh des Thelemer Waldes ein großes mächtiges Gebäud einer halben Meilen lang, fein hell und wohlbelegen: darinn wohnten die Goldschmiede, Juwelirer, Sticker, Schneider, Sammetweber, Goldzieher, Tapeten- und Teppichwirker, und arbeiteten da ein jeder in seinem Handwerk, lediglich für diese Ordensbrüder und Schwestern. Selbigen ward der Zeug und Stoff von dem Herren Nausikletus geliefert, der ihnen jedes Jahr sieben Schiff aus den Kanibalen- und Perleninseln mit Barren Goldes, roher Seiden, Perlen und Steinen beladen zufuhr. Wenn etliche Perlen veralten wollten und etwann den weissen Glanz verloren, erneuerten sie sie durch ihre Kunst wiederum damit daß sie sie einem schönen Hahnen zu fressen gaben, wie man den Falken Purganz eingiebt.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 166-168.
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