Neunzehntes Kapitel.

[266] Wie Panurg den englischen Zeichenfechter ad Absurdum führt'.


Itzt, während nun alles mäuslein still umherstand und die Ohren spitzt', erhub der Engländer beyde Händ getrennet hoch in Luft empor, wobey er alle Spitzen der Finger in der Figur zusammenkniff, die man um Chinon Hühner-Arß nennt, und mit den Nägeln der einen vier mal gegen die andre schlug: dann that er sie auf, und schlug sie, daß es klatscht', einmal zusamen, schloß sie wiederum, und schlug zweymal wie vorhin; thät sie dann vier mal wieder auf. Darnach legt' er sie lang und platt an einander, wie in andächtigem Gebet.[266]

Alsbald erhub Panurg die Rechte, steckt' dann den Daumen selbiger Hand ins rechte Nasenloch, hielt die vier Finger ausgestreckt und in ihrer Reih parallelisch zusamengeschlossen gegen das Nasenbein, wobey er das linke Aug ganz zudruckt', und mit dem Rechten blinzelt', daß die Brau und Wimper tief heruntergepreßt ward. Dann hub er die linke Hand in die Höh, den Daumen aufrecht, die vier Finger fest aneinander und ausgereckt, und hielt sie so in gleichem Strich zur Positur der rechten, also daß zwischen beyden Händen ein und ein halber Schuh breit Raum verblieb. Hierauf neigt' er in gleicher Gestalt die zwo Händ zur Erden, und endlich hielt er sie in die Mitt, als wollt er damit dem Englischen grad nach der Nasen zielen.

Und wenn Mercur, sprach der Engelländer. – Da fiel ihm aber Panurg ins Wort und rief: ihr habt gesprochen, Maske! – Itzt macht' der Engländer dieses Zeichen: Die linke Hand hielt er ganz offen hoch in die Luft, dann ballet' er die vier Finger daran zur Faust zusamen, und setzt' den Daumen ausgestreckt an das Nasenbein. Hub gleich darauf die rechte Hand ganz offen empor und neigt' sie auch ganz offen wieder, indem er den Daumen an den Ort legt', wo sich der kleine Finger der linken zusamenballt', und bewegt' die vier Finger an selbiger langsam in der Luft. Dann thät' er umgekehrt mit der Rechten wie er zuvor mit der Linken gethan, und mit der Linken, wie mit der Rechten.

Panurg, hievon nicht sehr erschreckt, zog seinen trismegistischen Latz mit der linken an Luft, und mit der Rechten langt' er aus ihm ein kleines Schnitzel weisse Rindsripp und ein Paar Stücklein Holz von gleicher Gestalt, das eine schwarzes Ebenholz, das andre Brasilianisch incarnat. Die legt' er zwischen den Fingern der Hand in guter Symmetri zusamen und schlugs aneinander, daß es klang wie wenn die Räudigen in Bretagne mit ihren Klappern hausiren gehen, nur etwas besser und lieblicher: und zog dabey die Zung im Mund ein, mit der er lustig schnalzt' und immer den Engelländer starr dazu ansah.

Die Theologen, Aerzt und Wundärzt dachten, dieß Zeichen sollt bedeuten daß der Engländer räudig wär. Die Räth, Legisten und Decretisten dachten, er wollt etwann[267] daraus folgern daß eine Art des menschlichen Glücks im Stand der Räudigkeit bestünd, wie weiland unser Herr gelehrt hat. Der Engländer aber verzagt' drum nicht, hub beyde Händ empor in der Art, daß er die drey Mittelfinger zusamenballt' und die Daumen zwischen die Zeigefinger und mittelsten steckt', die Ohrfinger aber lang ausgestreckt ließ: also hielt er sie dem Panurg hin, darauf legt' er sie dergestalt zusamen, daß der rechte Daumen den Linken, und der kleine Linke den Rechten bedruckte.

Panurg hierauf sprach nicht ein Wort, erhub die Händ und macht' dieß Zeichen: die Nägel des Zeigefingers und Daumens der linken Hand fügt' er zusamen, also daß gleichsam eine Schnall im Zwischenraum formiret ward: ballet' alle Finger der Rechten, bis auf den Zeigefinger zusamen, welchen er durch die zween vorgedachten der Linken öfters stieß und zog. Dann streckt' er den Zeiger und Mittelsten der rechten Hand aus, spreizet' sie so weit er konnt auseinander, und reckt' sie nach Thaumasten: setzt' darauf den linken Daumen an den Winkel des linken Auges, während er die ganze Hand wie eine Fischfloß oder wie einen Vogelfittig der Läng lang ausdehnt' und possierlich hin und her schwenkt': eben so mit der Rechten am rechten Augenwinkel, und trieb es so in einemfort wohl eine reichliche Viertelstund.

Da fing Thaumast zu zittern an und ward ganz bleich, und macht' ihm dies Zeichen: Mit dem mittelsten Finger der Rechten schlug er gegen den Handteller-Muskel, der unter dem Daumen ist; drauf steckt' er den Zeigefinger der rechten Hand durch eben solch eine Schnall in der Linken, aber er steckt' ihn nicht, wie Panurg, zu oberst, sondern zu unterst hinein.

Jetzt schlägt Panurg die Händ zusamen und haucht darein, steckt abermals den Zeigefinger der rechten Hand in die Schnall der Linken, zieht und schiebt ihn wiederholentlich zwischendurch, hängt dann das Kinn lang, und betrachtet Thaumasten aufmerksam. Die Leut, die nichts von diesen Zeichen verstunden, sahen doch wohl daß er damit Thaumasten pantomimisch wollt fragen, was er darauf zu sagen hätt. Auch fing Thaumastos schon in Wahrheit dicke Tropfen zu schwitzen an, und schien in tiefer Beschaulichkeit[268] wie ausser sich verzückt: darnach bedacht er sich, legt' alle Nägel der linken Hand an die Nägel der Rechten, sperret' die Finger in halben Cirkeln auseinander und hub in dieser Positur die Händ so hoch er konnt empor.

Panurg hierauf schob flugs den Daumen der rechten Hand unter die Kiefern, und den rechten Ohrfinger in die linke Schnall, und klappt' dazu mit seinen Zähnen gar melodisch, daß die untern gegen die obersten rasselten.

Thaumast, vor schwerer Angst, stund auf; aber bey dem Aufstehn entfuhr ihm ein gewaltiger Bäckerfurz, denn die Hef kam hinterdrein, und seicht' den schärfsten Käslab, daß es wie alle Teufel stank, und was nur Händ hätt sich die Nasen zuhielt, denn er beschiß sich für Schwulitäten. Alsdann erhub er die rechte Hand gekrümmt; daß alle Spitzen der Finger zusammentrafen, und legt' die Linke platt auf die Brust. Worauf Panurg seinen langen Latz mit dem Quästlein fürzog, anderthalb Schuh lang ausreckt' und mit der linken Hand in die Luft emporhielt. Mit der Rechten nahm er die Pommeranz, warf sie bis sieben Mal in die Luft, zum achten aber fing er sie in die rechte Faust, und hielt sie ruhig hoch in die Höh, fing darauf an mit seinem schönen Latz zu schlenkern, und wies ihn Thaumasten.

Alsobald begann Thaumastos beyde Backen, wie ein Sackpfeiffer aufzublähen, und faucht' als ob er eine Schweinblas hätt aufblasen wollen. Worauf Panurg einen Finger der Linken ins Arßloch steckt' und mit dem Mund die Luft einsog, wie wenn man Austern in Schaalen ißt oder Suppen schlürfet; dann öffnet' er den Mund ein wenig und schlug flach mit der rechten Hand drauf, daß es laut und tief klang, gleich als ob der Schall von der oberen Fläch des Zwergfells durch die Luftröhr käm, und dieses thät er an sechzehn Mal. Thaumastos aber faucht' immer zu wie eine Gans. Itzt steckt' Panurg den rechten Zeiger in den Mund, klemmt' mit den Muskeln des Mundes ihn fest ein, und zog ihn wieder heraus, daß beym Herausziehn ein lauter Schall verspüret ward, wie wenn die Kinder mit schönen Rüben aus Holderbüchsen schiessen, und thät es neunmal.

Da rief Thaumastos: Ha, ihr Herren! das grosse Mysterium! Itzund hat er die Arm drinn bis zum Elenbogen![269] Zog dann einen Dolch, den er bey sich trug, und hielt ihn mit der Spitz zu unterst. Drauf nahm Panurg seinen langen Latz und schlenkert' ihn gegen seine Schenkel so stark er konnt, verschränket' dann die beiden Händ wie einen Strähl über dem Kopf und streckt' dazu die Zung so lang er konnt herfür, verdrehet' dabey die Augen im Kopf wie eine sterbende Geiß. – Ha! sprach Thaumast, ich merk schon, doch wie nun? und macht' ein Zeichen mit seinem Dolch, davon er das Heft sich auf die Brust setzt' und, mit ein wenig rückwärtsgebogenen Fingerkoppen, die flache Hand auf die Spitz hielt. Hierauf neigt' Panurg das Haupt zur Linken, steckt' den mittelsten Finger ins rechte Ohr, den Daumen hielt er steilrecht in die Höh. Kreuzt dann die beiden Arm auf der Brust, und hustet fünfmal; zum fünften stampft er mit dem rechten Fuß die Erd, hebt dann den linken Arm empor, ballt alle Finger zusamen, den Daumen gegen die Stirn gekehrt, und schlägt mit der Rechten sechsmal an die Brust. Aber Thaumast, wie nicht zufrieden hiemit, legt seinen linken Daumen an die Nasenspitz und schließt die übrigen Finger derselben Hand. Da legt Panurg die zween Mittelfinger an beyde Mundwinkel, zieht den Mund so weit er kann auseinander und zeigt sein ganz Gebiß, wobey er noch mit beyden Daumen die Augenwimpern gar tief herabdruckt', daß er traun nach Urtheil der Versamelten eine sehr leidige Fratzen schnitt.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 266-270.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel

Buchempfehlung

Müllner, Adolph

Die Schuld. Trauerspiel in vier Akten

Die Schuld. Trauerspiel in vier Akten

Ein lange zurückliegender Jagdunfall, zwei Brüder und eine verheiratete Frau irgendwo an der skandinavischen Nordseeküste. Aus diesen Zutaten entwirft Adolf Müllner einen Enthüllungsprozess, der ein Verbrechen aufklärt und am selben Tag sühnt. "Die Schuld", 1813 am Wiener Burgtheater uraufgeführt, war der große Durchbruch des Autors und verhalf schließlich dem ganzen Genre der Schicksalstragödie zu ungeheurer Popularität.

98 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon