Zwey und Zwanzigstes Kapitel.

[276] Wie Panurg der Pariser Dam einen Streich spielt', der nicht zu ihrem Vortheil war.


Nun merket wohl: den Tag darauf fiel eben das hohe Frohnleichnamsfest, an welchem alle Weiber sich in ihren höchsten Kleiderstaat werfen: wie denn auch vorerwähnte Dam auf diesen Tag ein stolzes Kleid von karmesinrothem Atlaß trug, nebst einem prächtigen weissen Sammt-Rock. Panurg, am Feyerabend zuvor spionirt' in allen Gassen so lang umher bis ihm gelang eine orgoosische Lyciskam aufzutreiben; die band er sich an seinen Gurt fest, führet' sie auf seine Kammer, füttert' sie den Tag und die Nacht durch bestens, früh am Morgen aber schlug er sie todt,[276] und nahm davon das, was den griechischen Geomanten bewußt ist; hackt' es in kleine Stückel so fein er konnt, verbarg es wohl, und ging damit an den Ort hin, wo die Dam, um zu dem Zug zu stossen, erscheinen mußt', wie es der Brauch am selbigen Fest ist. Als er sie nun kommen sahe, reicht' er ihr mit höflichem Gruß den Weihbrunn dar; darauf nach einer kleinen Weil, als sie ihr Sprüchlein ausgebetet pflanzt' er sich zu ihr in ihre Bank, und gab ihr ein beschrieben Blatt mit einem Rundreim, lautend wie folget:


Rund-Reim.

Für dießmal, als ich euch o holde Schöne!

Mein Leid geklagt, wiest ihr mir scheel die Zähne,

Verstiesset ohn Erbarmen mich von euch;

Der ich doch nie mit einem bösen Streich

In Wort noch Werk, Schimpf oder Scherz euch höhne.

Misfällt euch aber so mein Liebsgestöhne,

Schickt mir nicht Mäkler, diesen oder jene,

Sagt lieber selbst: Freund, trollt euch fort sogleich

Für dieses Mal.


Thu ich euch doch kein Leid, wenn ich erwähne

Daß mir mein Herz entbrennt wie dürre Späne,

Von eurer Schönheit die so voll und reich.

Drum gönnet mir daß ich mein Sattelzeug,

Mehr fodr ich nicht, auf eures fröhlich lehne

Für dieses Mal.


Und während sie das Papier nun aufschlug, um nachzusehen was darinn stünd, da besäet' Panurg sie hurtig von hinten mit seiner Spezerey an vielen Stellen, sonderlich in den Falten der Aermel und des Kleides: sprach dann zu ihr: Gestrenge Frau, den armen Amanten geht es oft hart: was mich betrifft, so hoff, es werden die schlimmen Nächt, Stürm und Gefecht die ich um euch erduldet hab, mir von der Fegefeuerspein dereinstmals noch in Abzug kommen. Bittet zum wenigsten Gott für mich, daß er mir woll in meinem Elend Geduld bescheeren![277]

Er hätt es noch nicht ausgeredet, als alle Hund soviel nur in der Kirchen waren, auf die Dam zu schossen nach der Witterung der Spezerey womit er sie bestreuet. Groß und kleine, dick und dünne kamen sie schaarenweis, spitzten die Glieder, umschnoperten und beharnten sie dann über und über! es war der leidigste Spuk von der Welt.

Panurg verscheucht' sie ein klein wenig, sodann beurlaubt' er sich von ihr, und schlupft' in ein Kapell, die Hatz mit anzusehen. Denn das Hundsgeschmeiß bekackt' und beharnt' ihr die ganzen Kleider, bis endlich gar ein grosser Windhund ihr aufs Haupt pißt', etliche in die Aermel, andre aufs Gesäß, die kleinen seichten ihr auf die Schuh, und all die andern Weiber darneben konnten sie mit genauer Noth vor den Hunden retten. Da lacht Panurg und sprach zu einem der Herrn von der Stadt: Ich glaub die Dam ist läufisch, oder es hat sie ein Windhund frisch belegt. Und als er die Hund itzt, wie sie pflegen wo eine läufische Hündinn ist, rings um sie knurren und brömmeln sah, lief er fort, den Pantagruel herbeyzuholen: und überall wo er nur Hund auf den Gassen fand, da gab er ihnen mit dem Fuß einen Tritt und sprach: warum gehet ihr nicht mit euern Gesellen zur Hochzeit? vorwärts ins Teufels Namen, vorwärts, marsch! Und als er heim kam, sprach er zum Pantagruel: Meister! kommt, ich bitt euch, und sehet alle Hund des Landes um eine schöne Dam versamelt, es ist die schönst' am ganzen Ort, und wollen sie rammeln. – Pantagruel war es sehr wohl zufrieden und nahm das Mysterium in Augenschein, das ihm gar schön und neu bedünkte. Aber das Best kam bey dem Umgang, in welchem ihr über sechshunderttausend und vierzehn Hund zur Seiten gingen und tausend gebranntes Herzeleid thäten: denn überall wo sie ging und stund, da folgten ihr immer neue Hund auf der Spur nach und beseichten den Weg, wo sie mit ihren Kleidern gestreift war. Und alles Volk blieb stehen und sah dem Schauspiel zu, den Hundsgebährden, wie sie ihr bis zu Halse stiegen und all ihr gutes Zeug verdarben. Es war zuletzt kein Rettung mehr als bis sie in ihre vier Pfäl entwischt' und immer die Hund ihr nach, und sie versteckt' sich, und die Zofen lachten. Kaum war[278] sie aber ins Haus hinein und das Pförtlein hinter ihr zugeschlossen, so kamen auf eine halbe Meil alle Hund herbey und brunzelten so hitzig gegen die Tür des Hauses, daß aus dem Harn ein Bach entstund, darinn die Enten geschwommen wären. Und dieses ist derselbige Bach, der itzo auf Sanct Victor läuft, wo Guobelin seinen Scharlach drinn färbt, wegen des Hundsharns specifischer Tugend und Eigenschaft, wie unser Meister Dorian weiland publice predigt'. Ja helf uns Gott! es hätt darinn eine Mühl gar füglich mahlen mögen. Doch aber gleichwohl nicht so gut als im Basakel bey Toulouse.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 276-279.
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