Ein und Dreyssigstes Kapitel.

[310] Wie Pantagruel in die Amauroten-Hauptstadt seinen Einzug hielt: und wie Panurg den König Anarchos verheyrathet' und ihn zum Grünsuppen-Ausrufer macht'.


Nach diesem wunderwürdigen Siege ließ Pantagruel in der Hauptstadt der Amauroten durch Karpalim ausrufen und zu wissen thun wie König Anarchos gefangen wär, und alle Feind aufs Haupt geschlagen. Auf welche Zeitung alsobald die sämmtlichen Einwohner der Stadt in Reih und Glied und fröhlig wie die Götter ihm entgegen zogen, und ihn mit stolzem Triumphgepräng in ihre Stadt geleiteten. Da brannten lustige Freudenfeuer rings in der Stadt umher, die Gassen prangten voll edler Tafelrunden mit Speiß und Trank vollauf beschwert. Es war eine rechte Wiedererweckung der Zeiten Saturni, so hoch gings her.

Aber in voller Rathsversammlung sprach Pantagruel: Ihr Herren, man soll das Eisen schmieden weils warm ist; derhalb auch ich, eh wir uns hie noch fester fressen, beschlossen hab das ganze Dipsodische Königreich mit Sturm zu erobern: also wer mit mir kommen will, der sey bereit auf morgen nach dem Frühtrunk; denn um die Zeit werd ich ausziehn. Nicht, daß ich nicht Volks mehr denn zu viel hätt sie zu bezwingen, denn es ist bereits so gut als hätt ich sie: sondern ich seh, die Stadt hie steckt so voller Leut daß sie sich schier in den Gassen nicht mehr umdrehn können; also will ich sie in Dipsodien als eine Coloni verführen und ihnen das ganze Land eingeben, welches vor allen Ländern der Welt schön, heilsam, fruchtbar und lieblich ist, wie Vielen von euch wohl bekannt, die vormals dort gewesen sind. Wem also nun sein Sinn dahin steht, der halt sich fertig, wie gesagt. – Sofort ward dieser sein Beschluß und Fürsatz ruchbar in der Stadt: da fanden sich am andern Morgen beym Rathhaus auf dem Markt an achtzehnhundertsechsundfunfzigtausend eilf Seelen ein, ohn die Weib und kleinen Kinder: die machten sich flugs nach Dipsodien auf den Weg, und zwar in einer so guten Ordnung, daß sie den Kindern Israel glichen, wie sie einst aus Aegyptenland, dem rothen Meer entgegenzogen.[311]

Eh ich aber in diesen Fahrten itzt weiter geh, will ich euch melden wie Panurg seinen Kriegsgefangenen, den König Anarch hielt. Ihm fiel bey was Epistemon von den Reichen und Königen dieser Welt erzählt, wie man sie hielt in Elysium, und wie sie nun ihr täglich Brod mit schlechter und schmuziger Arbeit gewännen.

Also zog er dann eines Tag seinem Herrn König ein artigs Wämslein von Leinwand an, ganz ausgeschlitzt wie eine Albaneser-Cornett, und schöne weite Schifferhosen, ohn Schuh; (denn meint' er, die würden ihm nur die Augen blenden): setzt' ihm dann ein klein blaugrün Barettlein auf, mit einer grossen Kapphahnfeder – aber ich irr, denn ich besinn mich, es waren ihrer zween – und schnallt' ihm einen stattlichen Leibgurt um, halb gehl halb weiß; denn die Livrey, sagt' er, schickt sich ganz gut für ihn, weil er ein Nasweis und ein Gehlschnabel gewesen ist. In diesem Aufzug führt' er ihn zum Pantagruel und sprach zu ihm: Gestrenger Herr, kennt ihr wohl diesen Stoffel? – Nein, fürwahr nicht, spricht Pantagruel. – Es ist unser Herr Drey-Weckenkönig. Ich will einen wohlgesitteten Menschen aus ihm machen. Die Teufelskönig hie zu Land sind eitel Kälber, zu nichts nutz und wissen nichts weiter als ihre armen Vasallen zu schinden und alle Welt mit Krieg zu plagen nach ihrem abscheulichen bösen Gelust. Ich will ihn auf ein Handwerk thun, er soll mir Grünsuppen-Rufer werden. Itzt fang mal an: Grünsuppen wer kauft? – Da schrie der arme Tropf. – Zu tief! fiel ihm Panurg ein, und nahm ihn beym Ohr: mußt höher singen, ge, sol, re, ut! So, Teufel! hast eine gute Kehl; es ist dein tausend Glück daß du vom Regiment bist kommen.

Und Pantagruelen gefiel dies alles gar wohl; denn ich sag nicht zu viel, es war ein so lieb klein Herzensmännel als man von hie auf Steckens Läng nur finden mocht. So ward Anarchos denn ein guter Grünsup pen-Rufer. Zween Tag darauf verheyrath' ihn Panurg mit einer alten Hazel[312] und richtet ihm selber die Hochzeit aus mit schönem Schöpskopf, Schweinsschwärtlein in Mustrig-Tunk und feinen Kaldaunen mit Knoblauch. Davon sendet' er soviel als auf fünf Saumroß ging, dem Pantagruel, der es auch alles aufaß, so lecker fand ers, und zu trinken schönen Cyder und feinen Schmalwein. Und dang einen Blinden daß er ihnen mit seiner Fiedel zum Tanz aufspielt'. Nach dem Essen führt' er sie aufs Schloß zu dem Pantagruel, wies auf die Braut und sprach zu ihm: die läßt auch keinen Kracher mehr streichen. – Warum nicht? frug Pantagruel. – Weil sie schon gut gestippt ist, sprach Panurg. – Was sind dieß für Parabeln? frug Pantagruel. – Sehet ihr nicht, versetzt' Panurg, wie die Kastanien am Feuer, wenn sie ganz sind, krachen daß alles pufft, und um dieß Krachen ihnen zu legen, so stippt man sie? So ist auch nun diese junge Frau unten herum ganz wohl gestippt, und wird man von ihr keinen Kracher mehr hören.

Darauf gab ihnen Pantagruel eine kleine Band in der Vorstadt ein, und schenkt' ihnen einen steinernen Mörsel zum Kräuterstossen. Da trieben sie ihr Krämlein zusamen, und ward aus ihm ein so possirlicher Suppen-Mann als in Utopien je ersehn war. Hab aber seit der Zeit gehört daß seine Frau ihn drischt wie Gips und darf sich nicht wehren, der arme Narr: so täppisch ist er.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 310-313.
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