Vier und Dreyssigstes Kapitel.

[319] Des gegenwärtigen Buches Beschluß, und des Authors Entschuldigung.


Hier habt ihr lieben Leut denn also einen Anfang erzählen hören von der schauderhaften Geschicht meines Herrn und Meisters Pantagruel. Ich werde dieß erste Buch itzunder beschliessen; denn mich schmerzt der Kopf ein wenig, und spür auch wohl, dieß herbstliche Septembermüßlein hat mirs Conzept in etwas verruckt. Auf nächstkommende Frankfurter Meß sollt ihr das weitere der Geschicht vernehmen. Werdet alsdann sehen: wie Panurg zu einem Weib kam, und wie er gleich im ersten Monat nach der Hochzeit zu einem Hahnrey ward. Wie Pantagruel den Stein der Weisen erfand, nebst Art und Weis wie man ihn finden und brauchen muß. Wie er über die Cascischen Berg zog, das Atlantische Meer beschifft', die Kanibalen überwand, und nach Eroberung der Perlen-Insuln, des Indier-Königs Presthan Tochter ehelicht'. Wie er den Teufeln ein Treffen liefert', fünf höllische Kammern verbrannt', die grosse schwarze Stuben der Erd gleich macht', Proserpinen ins Feuer schmiß, und dem Lucifer vier Zähn aus dem Hals, und vom Hintersten ein Horn abbrach. Wie er sodann das Land im Mond bereist', zu sehen ob der Mond in Wahrheit nicht ganz wär, sondern unsre Weiber drey Viertel davon in den Köpfen hätten; samt tausenderley anderm kleinen buchstäblich wahren Kurzweil mehr: schöne französische Evangelien. Nun gute Ruhe, ihr lieben Leut. Perdonati mi, und gedenkt meiner Sünden nicht fleissiger als eurer eignen!

So ihr etwann zu mir sprächet: lieber Meister, uns dünkt, ihr seyd nicht allzuklug, daß ihr uns solche Pfifferling und schnakisch Fatzwerk auftischt, so antwort ich euch: und ihr seid traun nicht klüger als ich; was hebt ihrs auf und lesets? Gleichwohl wenn ihrs aber zu eurer Lust und Kurzweil leset, wie ich mir schreibend mein Zeit und Weil damit gekürzt hab, werden wir wohl beyderseits viel eher dafür Vergebung[320] finden als ein ganz Heer Sarabaiter, Blindschleicher, Kuttner, Hypokriter, Tuckmäuser, Stock- und Stiefelbrüder und andre deß Gelichters mehr, die sich vermummeln und die Welt mit ihren Larven zum Besten haben. Denn während sie dem gemeinen Volk einbilden als wenn ihr ganzes Thun nur eitel Beschaulichkeit, Andacht, Fasten, und Ertödtung des Fleisches wär, ausser was zur Erhaltung und Nothdurft ihres armen sterblichen Leichnams erforderlich, verführen sie gleichwohl ein Leben das Gott bewußt ist, et Curios simulant, sed bacchanalia vivunt. Ihr könnts an ihren Polakenbäuchen, an ihren rothen Goschen könnt ihrs mit feuriger Schrift geschrieben lesen, wenn sie sich nicht etwann mit Schwefel weiß brennen und räuchern. Und ihr Studiren besteht eben in weiter nichts als Lesen der Pantagruelsbücher, nicht aber etwa zu fröhlicher Kurzweil, sondern damit sie tückischer Weis einem nur schaden wollen mit spüren, artikuliren, protokolliren, grimmassiren, züngeln, schlängeln, zwicken und zwacken, krummen Nacken und tausend Teufelsschabernacken, das ist Calumnien. Darinn aber tun sie just wie die Tagediebe auf den Dörfern, die um die Zeit der Kirschen und Beeren der kleinen Kinder Scheißdreck durchwühlen und krebsen, wegen der Kern, und verkaufens dann den Apothekern die destilliren ihr Mandelöl draus. Solche fliehet, hasset und verabscheut gleich wie Ich; dieß wird euch mein Treu nicht reuen. Und so ihr wollt gute Pantagruels Brüder seyn, das heißt froh und zufrieden leben und alle Tag in Herrlichkeit,[321] trauet mir nimmer denen Leuten die durch die kleinen Löchlein schauen.


End der Chronik Pantagruels des Dipsoden Königs.


Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 319-322.
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