Fünftes Kapitel.

[354] Wie Pantagruel die Schuldner und Borger verabscheut.


Ich versteh, antwort Pantagruel: ihr scheint mir ein unter Topicus und sehr erpicht auf euern Satz. Patroziniret und predigt aber bis Pfingsten, ihr sollt am End doch stutzen daß ihr bey mir nichts ausgericht. Mit allen euern schönen Reden sollt ihr mich drum nicht in Schulden locken. Was sagt der heilige Apostel? »Seyd niemand nichts schuldig als daß ihr euch untereinander liebet und werth haltet.« – Ihr tischt mir da ganz artige Graphides und Diatyposes auf, und gefallen mir auch ganz wohl. Ich sag euch aber: wenn ihr euch einen frechen Borger und prellenden Prahlhans denken wollt, wie er aufs neu in eine Stadt kommt, die schon zuvor seiner Sitten kundig, so werd ihr finden daß die Bürger vor seiner Ankunft mehr erzittern und schaudern werden, als wenn die Pest im Krägel käm, wie sie zu Ephesus der Tyaneische Weise sah. Und bin des Glaubens, daß die Perser nicht irreten wenn sie meinten, die Lüg wär der Laster zweytes, und Schuldenmachen das erst; denn Schulden und Lügen gehen gemeiniglich Hand in Hand. Zwar will ich eben daraus nicht folgern man dürft im Leben nie was borgen, im Leben Niemand etwa leihn: es ist kein Mensch so reich, der nicht zuweilen schuldig wär; kein Mensch so arm, von dem man nicht zuweilen was lehnen möcht. Der Fall soll seyn wie in Plato in seinen Gesetzen stellet, wo er befiehlt[354] daß man die Nachbarn bey sich nicht Wasser soll schöpfen lassen, wenn sie auf ihren eigenen Hufen nicht erst sorgfältig nachgegraben und eingeschlagen bis sie das Erdreich namens Keramis entdeckt, ist Töpfer-Erd, und darin weder Quell noch Springborn gefunden hätten. Denn selbiges Erdreich, das von Natur derb, fettig, dicht und glatt ist, hält die Feuchtigkeit; und kann dadurch so leicht nichts sickern noch verdunsten. Darum ists eine grosse Schand, wer immer und überall von einem Jeden Geld borgen will, statt daß er arbeit und sichs verdienet: und sollt man, mein ich, alsdann nur leihen, wenn einem Menschen sein Müh und Fleiß nichts einbracht, oder er unerwartet plötzlich das Seine verloren hätt. Damit genug von dieser Sach und meidet mir künftig die Gläubiger. Des Vorigen überheb ich euch.

Das Allermindest von meinem Meist, was ich thun kann in diesem Fall, sprach Panurg, ist euch zu danken: und wenn der Dank nach des Wohlthäters Gunst zu messen ist, wird er unendlich, ewig seyn. Denn eure Lieb und Huld zu mir liegt ausserm Wurfspiel aller Schätzung, geht über all Maas, Zahl und Gewicht, sie ist unendlich und unvergänglich. Mißt man ihn aber nach Innhalt der Gaben und des Empfängers Zufriedenheit, wär es zu schwach. Ihr thut an mir des Guten viel, weit mehr als mir gebühret, als ich um euch verdient hab, und meine Werk werth sind; ich muß gestehen: doch keineswegs so viel als ihr in diesem Punkt wohl denken möchtet. Dieß ists nicht was mich grämt, nicht da druckt mich der Schuh, da juckt michs nicht. Denn wenn ich nun quitt seyn werd in Zukunft, wie wird mir das zu Gesicht stehn, meint ihr? Glaubt nur, ich werd in den ersten Monden gar läppisch aussehn, weil ich nicht dazu geübt noch erzogen bin. Dieß fürcht ich sehr. Zudem wird künftig kein Furz mehr jung in ganz Salmigundien, der nicht auf meine Nas visirt wär. Denn was nur Fürz auf Erden läßt, wird furzend sagen: dieß dem Quitten. Mein Leben wird bald zur Neig gehn, ich spürs im Voraus, ich recommandir euch mein Grabschrift. Und werd in Fürzen ganz candirt von hinnen fahren. Wenn[355] man einmal in ärgster Wind-Cholik und Bauchweh die armen Weiblein durch Furz-Ablaß wird restauriren und trösten wollen, und es kein Arzt zuweg kann bringen mit seiner gewöhnlichen Medizin, dann wird mein mumisirter Balg, mein furzdurchräucherter Madensack sie flugs curiren. Nur ein klein wenig, so wenig als denkbar davon genommen, so furzen sie mehr als sie selbst bitten noch verstehen. Bät euch drum gern daß ihr mir etwann ein Hunderttheil meiner Schulden füritzt noch liesset; wie König Ludwig der Eilft, als er den Bischof zu Chartres Miles von Illiers seiner Prozeß erledigt hätt, von ihm inständig gebeten ward, ihm nur ein Paar, der Übung halber noch offen zu lassen. Ich wollt ihnen lieber mein ganzes Schlammbyßkerium und die Maykäferey dazu abstehn, dem Hauptstamm allzeit unbeschadet, das versteht sich. – Laßt diese Sach itzt gut seyn, sprach Pantagruel; ich habs euch schon einmal gesagt.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 354-356.
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