Dreyssigstes Kapitel.

[442] Wie Hippothadäus der Theolog Panurgen Rath giebt in Heyrathssachen.


Sobald der Imbiß Sonntags drauf gerüstet war, erschienen die Geladenen außer Gänszaum, Lieutenant von Fonsbeton. Als der Nachtisch kam, sprach Panurg mit tiefer Verneigung: Ihr Herren, die Frag ist um Ein Wort: Soll ich heyrathen oder nicht? Könnt ihr den Zweifel mir nicht lösen, muß ich ihn für unlösbar halten, wie des Alliaco Insolubilien. Denn ihr seyd auserkohrene Leut, erkiest, erprobt und auserlesen ein jeder in seinem besondern Fach, wie feine Kichern auf dem Zählbret.

Auf Einladung Pantagruels und Verneigung aller Uebrigen, antwort ihm Vater Hippothadäus mit schier unglaublicher Sittsamkeit: Mein Freund, ihr fordert Rath von uns;[442] ist aber Noth daß ihr zuvor euch selber rathet. Spüret ihr in euerm Leib das Ungestüm der Fleischesstacheln? – Gar stark, versetzt' Panurg, und nehmets nicht für ungut, mein Vater. – Ich thu es nicht, mein Freund, sprach Hippothadäus: aber, habt ihr in dieser Noth die besondere Gab und Gnad der Enthaltsamkeit von Gott empfangen? – Mein Treu, mit nichten! antwort Panurg. – Nun dann mein Freund, so freyet zu, sprach Hippothadäus: denn es ist besser freyen, denn Brunst leiden. – Das heiss ich, rief Panurg, mir noch ein Wort! ein gutes, wackres Wort! es quirlt nicht lang um den Brey herum. Grossen Dank mein Vater! Ich werd auch freyen zuverlässig, und das bald. Ich lad euch zu meiner Hochzeit ein! Potz Hahn und Henn! da solls hoch her gehn. Ich schick euch auch von meiner Livrey, und wolln die Gans zusamen essen; die soll mein Weib beym Kreuz! nicht braten. Werd euch auch um das Ehrentänzlein mit den Jungfern zu tanzen bitten, wenn ihr mir so viel Lieb und Ehr erzeigen wollt, ob ichs verschulden möchte.

Bleibt nur noch ein klein Nüssel zu knacken: klein sag ich; ist so gut als nix. Werd ich auch nicht zum Hahnrey werden? – Ey nicht doch, sprach Hippothadäus, mein Freund! Wenn Gott will, nicht. – Hui, rief Panurg, bewahr uns Herr in Gnaden! wo schickt ihr mich hin, ihr lieben Leut? Zum Wenn und Aber, da alle Art Unmöglichkeiten und Widersprüch sophistischerweis drinn unterlaufen? Wenn mein transalpinisch Maul flög, so hätt mein transalpinisch Maul Flügel. Wenn Gott will, werd ich nicht Hahnrey seyn; und ich werd Hahnrey seyn, wenn Gott will? Ja wenns noch eine Bedingung wär der ich steuern könnt, wollt ich nicht gänzlich drum verzweifeln.

Aber ihr weist mich an Gottes geheimden Rath, in das Stüblein seiner kleinen Ergötzlichkeiten. Wer zeigt denn euch den Weg dahin, euch andern Frantzen? Ich denk, mein Vater, es wird euch wohl am räthlichsten seyn, ihr bleibt von[443] meiner Hochzeit weg. Der Lärm und Tummel der Hochzeitsgäst würd euch nur das Conzept verrucken. Ihr liebt Ruh, Still und Einsamkeit. Ihr bleibt da weg, denk ich mir wohl. Zudem tanzt ihr auch ziemlich schlecht, und würdet euch nur schämen, wenn ihr den ersten Reigen führen solltet. Ich werd euch vom Abhub aufs Zimmer schicken, auch Braut-Livrey. Wenns euch beliebt, mögt ihr auf unser Wohlseyn trinken. –

Mein Freund antwort Hippothadäus, legt meine Wort zum Besten aus! Ich bitt euch drum. Wenn ich euch sag: wenn Gott will, thu' ich euch damit Unrecht? Ists übel gesprochen? Ist die Bedingung etwann lästerlich oder gottlos? Heißt es die Ehr nicht dem Höchsten geben, dem Schöpfer, Vater und Erhalter? Heißts nicht, Ihn als den einigen Geber alles Guten anerkennen? heißts nicht gestehen an Seinem Segen sey alles gelegen, daß wir nichts sind, nichts gelten, schaffen noch vermögen wenn Er nicht Seine heilige Gnad über uns ausgießt? heißt dieß nicht, einen kanonischen Fürbehalt zu allen unsern Werken setzen, und alles unser Thun und Trachten dem Rathschluß Seines heiligen Willens unterwerfen im Himmel wie auf Erden? Seinen hochgelobten Namen in Wahrheit heiligen? Mein Freund, ihr werdet nicht Hahnrey werden, wenn Gott will. Seinen Willen aber hierinn zu wissen braucht ihr noch nicht zu verzweifeln, gleich als ob es ein ganz Verborgnes wär, derhalb man Seinen geheimen Rath müßt fragen, oder in das Stüblein seiner heiligsten Entschlüß dringen. Der gute Gott hat uns die Gnad erwiesen, daß er uns in der heiligen Schrift Seinen Willen offenbaret, verkündiget, deutlich angezeigt und beschrieben hat. Da werd ihr finden daß ihr nimmer Hahnrey seyn werdet, ist zu sagen, daß euer Weib nicht lüderlich seyn wird, wenn ihr braver Eltern Kind dazu erwählt, in Sittsamkeit und Tugend erzogen, die nichts weiß von bösem Umgang noch Gemeinschaft, Gott liebt und fürchtet, Ihm fröhlig dient im Glauben und Beobachtung Seiner heiligen Gebot; sich scheut ihn zu erzürnen oder Seine Gunst durch Mangel im Glauben zu verscherzen, durch Übertretung Seines göttlichen Gesetzes, in welchem Ehebruch streng verboten; darinn es heißt: du sollst deinem Mann allein anhangen, ihn ehren, ihm in allem dienstlich seyn, ihn lieben nächst[444] Gott selbst. In solcher Zucht sie zu bestärken, müßt auch ihr dann eures Orts mit ehelicher Freundschaft sie hegen und pflegen, treulich bey ihr verharren, ihr ein gut Beyspiel sehen lassen, keusch, sittsam, ehrlich in euerm Hausstand leben, wie ihr von ihr an ihrem Theil begehrt. Denn, wie man auch den Spiegel nicht für den besten und vollkommensten hält, der am meisten mit Gold und Steinen verziert ist, sondern vielmehr den, der die Gestalten wahrhaft zeigt, so ist das Weib nicht am höchsten zu schätzen, das reich, schön, zierlich, von hohem Haus stammt, sondern die sich vor Gott zumeist der guten Zucht befleissiget und ihres Mannes Art bequemt. Sehet nur wie die Mondenscheib ihr Licht nicht vom Mercurius, noch Jupiter, noch Mars, noch sonst einem andern Planeten oder Stern nimmt, so viel ihrer am Himmel sind; sondern sie empfängts allein vom Sonnenball ihrem Ehgemal, und empfängt nicht mehr davon, als er durch seinen Aspekt und Einfluß ihr mittheilt. Also sollt auch ihr euerm Weib ein Muster und Fürbild aller Tugend und Ehrbarkeit seyn, und auch die Gnad des Herrn dabey allzeit zu eurem Beystand erbitten.

Daß heißt, sprach Panurg, (und spann an den Zipfeln seines Schnautzbarts) ich soll das vollkommene Weib freyn, das Salomo beschrieben hat? Die ist todt, maustodt, ich wenigstens hab sie noch nicht gesehen, daß ich wüßt, verzeih mirs Gott. Doch, großen Dank mein frommer Vater. Eßt dieß Schnittlein Marzipan, es wird euch die Verdauung schärfen: und trinkt ein Glas rothen Hippokras drauf; er ist gesund und stomachal. Itzt weiter im Text!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 442-445.
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