Achtes Kapitel.

[55] Wie Panurg den Kaufmann sammt seinen Hammeln im Meer ersäuft.


Auf einmal, ich weiß selbst nicht wie, die Sach ging fix, ich konnt so schnell nicht Achtung geben, schmeißt Panurg ohn ein Wort zu sagen, seinen schreyenden, blökenden Hammel Knall und Fall ins hohe Meer. Die andern Hammel, all miteinander, schreyend und blökend aus Einer Skal', ihm nach, und schnurgerad ins Meer. Es war ein Drängen in die Wett, wer seinem Camrad der erste nachspräng. Und[55] war nicht möglich sie aufzuhalten. Wie ihr denn wohl der Hammel Art kennt, daß sie stets ihrem Vordermann, wohin er geht nachlaufen und treten. Auch nennt sie Aristoteles lib. IX. Histor. Animal. das dümmste und albernste Thier der Welt.

Der Kaufmann, ganz bestürzt, sein Vieh vor seinen Augen untergehn und ersaufen zu sehen, sputet sich aus aller Macht es zu verhindern und aufzuhalten; aber umsonst. Sie sprangen all schnurstracks ins Meer und ertranken. Endlich erwischt' er noch einen der größten und stärksten Hammel beym Fließ, auf dem Verdeck des Schiffs, in Hoffnung also ihn zu halten und mit ihm auch den Rest zu retten. Aber der Hammel war so mächtig, daß er den Kaufmann mit sich in's Meer riß, und er in gleicher Positur daselbst ersoff, wie einst Ulysses mit seinen Gefährten an den Hammel des blinden Cyklopen Polyphem aus dessen Höl entführet ward. Die andern Hirten und Schaafknecht thäten ein gleiches, hingen sich wie's kam, theils an die Hörner, Bein und Fließ' an, wurden desselbengleichen all mit in das Meer hinabgerissen, und ersoffen elendiglich.

Panurg stand neben der Kombüs mit einem Ruder in der Hand, nicht etwann den Hirten herauszuhelfen, sondern sie vom Schiff abzuhalten, daß sie nicht in die Höh dran klettern und dem Schiffbruch entrinnen sollten. Wobey er sie sehr beredtsamlich anpredigt' wie ein kleiner Bruder Oliver Maillard, oder wie ein andrer Bruder Jahn von Bourges; ihnen mit vielen rhetorischen Topis das Elend dieser Welt, das Glück und Heil des ewigen Lebens fürhielt, auch die Todten weit seeliger pries denn die Lebendigen hienieden in diesem Jammerthal, und Jedem von ihnen ein schönes Cenotaphium und Ehrenbegräbniß zu baun gelobt' hoch oben auf dem Cenis-Berg, bey seiner Heimkunft aus Laternien. Ihnen jedoch, im Fall sie ja das Zeitliche noch nicht verschmähten und so zu ersaufen beschwerlich fänden, viel Glück und einen Walfisch wünschend, der sie wie den Propheten Jonas nach dreyen Tagen frisch und gesund an irgend ein Milch-und Honig-Land ausspie.[56]

Nachdem der Kaufmann und die Hammel das Schiff geräumet, rief Panurg: Ist hie noch eine Hammel-Seel? Wo sind des Thibalt Lämmlein seine? Wo sind die Schöps Reinald Belins, die schlafen wann die andern grasen? Ich weiß nit. Dieß war ein Fechterstreich aus dem alten Krieg. Was sagst dazu, mein Bruder Jahn? – Respekt vor euch, sprach Jahn, ich fand nichts unrechts dran: nur daß mir dünkt, wie man vor Zeiten im Krieg den Söldnern am Tag eines Treffens oder Sturms gedoppelten Sold auf diesen Tag zu verheissen pflag – denn wenn sie das Treffen gewannen, gabs Geld vollauf sie auszuzahlen; verloren sie's, wär's eine Schand es zu fordern gewesen, wie nach der Schlacht bey Serizolles die Gruyer'schen Ausreisser thäten – daß ihr, sag' ich, die Zahlung gleichfalls bis zuletzt hättet sparen sollen: so wär euch das Geld im Beutel blieben. – Ey, sprach Panurg, Schad auf das Geld; ich hab bey Gott! für mehr denn fünfzigtausend Franken Spaß dran gehabt. Itzt fort von hie! der Wind ist gut. Und merk dir dieß, mein Bruder Jahn: noch hat kein Mensch mir je etwas zu Lieb gethan, das ich ihm nicht vergolten, oder zum wenigsten verdankt hätt; denn ich bin nicht undankbar, ich war's nicht, werd' es auch nicht seyn. Doch nie hat auch mir noch ein Mensch ein Leids gethan, daß es ihn nicht gereuet hätt, in dieser oder in jener Welt. Denn der Narr bin ich auch nicht. – Aber, sprach Bruder Jahn, du bringst dich selbst, wie ein alter Teufel in Verdammniß. Es stehet geschrieben: mihi vindictam, etc. Brevier-Materi!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 55-57.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel