Dreyzehntes Kapitel.

[71] Wie, nach dem Beyspiel Meister Franz Villon's, der Herr von Basché seine Leut lobt'.


Als der Schick-an aus dem Schloß und wieder auf seiner nüblichten Gurr (so hieß er seine blinde Mär) war, ließ Basché unter die Rebenhalt seines geheimen Gartens sein Weib, ihre Zofen, all sein Hausgesind zusamenholen, ließ Fest-Wein bringen, nebst einer Zahl Pasteten, Schunken, Käs und Obst, trank da mit ihnen nach Herzens Lust, und sprach darauf: Meister Franz Villon wohnt' auf seine alten Tag zu Saint Maixent in Poitou, wohin er sich unter den Schutz des braven Abtes ernannter Stadt begeben. Daselbst gedacht' er zum Ergötzen des Volks das Leiden Christi mit Gebährden in Poitevinischer Mundart agiren zu lassen. Als nun die Rollen ausgetheilt, die Spieler überhört, der Schauplatz aufgeschlagen war, zeigt' er dem Maire und den Schöffen an, daß das Mysterium gegen End des Jahrmarkts zu Niort könnt für sich gehn, es fehlt' ihm nur noch an paßlichen Kleidern für die Personen. Der Maire und Schöffen gingen zur Hand. Er seines Orts, zum Anputz eines alten Bauern, der Gott den Vater spielen sollt, ersucht' den Bruder Steffen Turncül, Franziskaner-Sacristan allda, ihm eine Kutt und Stolen zu lehnen. Turncül aber[71] schlug es ihm ab, anführend daß nach ihren Provinzialstatuten ihnen bey Straf verboten wär den Spielern ichtes mitzutheilen noch fürzustrecken. Meister Villon replizirt' zwar, dieß Statut ging nur auf Possen, Mummereyen und lose Spiel; also hätt er's auch in Brüssel und anderwärts halten sehn: half aber nichts; Turncül erklärt' ihm rund heraus, er möcht sich anderswo versehen wenns ihm beliebt', aus seiner Sakristey hätt er nix zu gewarten, denn unfehlbar ihm draus nix würd verabreicht werden. Villon erzählt' dieß voll Entsetzen seinen Spielern, sagt' dabey daß Gott in kurzem an dem Turncül ein schrecklich Rach- und Straf-Exempel vollziehn würd.

Samstags drauf hört' Villon daß Turncül auf der Kloster-Kobel (also heissen sie eine Stut wann sie noch nicht besprungen ist) gen Saint Ligaire auf die Almosheisch geritten wär, und gegen zwey Uhr des Nachmittags heimkehren wurd. Itzt mustert' er sein Teufelsheer zwischen der Stadt und dem Markt. Die Teufel gingen all in Wolfs- in Kalbs- und Widderfell vermummt, verbrämt mit Hammelsköpfen, Farrenhörnern, und langen Kuchelhaken: hätten sich dicke Riemen umgürtet, an denen grosse Maulthierschellen und Kühglocken hingen, machten damit einen Zeterlärm. In den Händen schwangen etliche schwarze Stecken mit Schwärmern, Andre lange Feuerbränd, darauf sie ganze Fäust von Schellharz an allen Gassen-Ecken warfen, daß ein erschrecklich Feuer und Qualm ward. Nachdem er sie also zur Lust des Volks und grossen Schrecken der kleinen Kinder entlang geführt, trieb er sie endlich zur Tränk in ein Krüglein dicht vorm Thor da man gen Saint Ligaire zugeht. Und wie sie an das Krüglein kamen, sah er den Turncül schon aus der Fern von seiner Heisch heimkehren, und sprach in macaronischen Versen zu ihnen:


Hic est de patria, natus de gente Halunca,

Qui solet antiquo Brockos portare Tornistro.


Gotts Tod! schrie'n da die Teufel, er hatt Gott dem Vater nicht einmal eine arme Kutt leihn wollen; kommt, laßt uns ihn schrecken! – Wohl gesprochen, antwortet' Villon, doch[72] versteckt euch bis er kommt, und nehmt eure Schwärmer und Feuerbränd. Sowie itzt Turncül näher kam, stürzten sie im vollen Sturm all auf den Weg ihm entgegen, warfen Feuer auf ihn und seine Kobel von allen Enden, schellten mit ihren Glocken und heulten teufelsmässig hho hho hho hho brrrurrrurrrs hrrrurrs rrurrrs hu hu hu hho hho hho Bruder Steffen, spielen wir nicht die Teufel gut? – Die Kobel, ganz erschreckt, fing an zu traben, zu farzen, zu curbettiren, zu galoppiren, bäumt' und schäumt', mit Krachern und mit Doppel-Pedalen, und bockt' und schmiß so lang bis sie den Turncül abwarf, ob er schon sich aus aller Macht am Sattelbaum anhing. Seine Stegreifen waren von Strick; und sein gefensterter Schuh auf der Schrittseit so eng darinn verwickelt, daß er ihn nimmermehr herausziehn konnt. Also schleppt' ihn die Kobel schindärschlings fürbaß, schlug nach ihm immer hitziger aus, und stob vor Angst über Stock und Stein, Büsch, Zäun und Gräben: dergestalt daß sie ihm ganz den Kopf zerpauscht' daß das Gehirn beym Hosannakreuz herausfiel, dann stückweis die Arm abgingen, der eine hiehin, der andre dahin, wie auch die Bein; und mit den Därmen ein lang Geschling am Boden hinzog: dermaasen daß, als die Kobel endlich im Kloster ankam, sie von ihm nichts weiter als den rechten Fuß und den verwickelten Schuh mit heimbracht'.

Wie Villon sah daß es gerathen wie er zuvor ihm ausgedacht, itzt rief er seinen Teufeln zu: Ihr werd eure Sachen prächtig machen, ihr Herren Teufel, es wird gut gehn; da steh ich für: ey, ey, wie gut ihrs machen werdet! Trutz biet ich allen Teufeleyen von Saulmur, Angiers, Doué, Langès, Mommorillon, Saint Espain, ja so mir Gott! von Poictiers mitsamt ihrem Sprachhaus, wo sie euch nur das Wasser reichen. O wie gut ihr eure Sachen machen werdet!

So, lieben Freund, fuhr Basché fort, seh ich zum voraus daß auch ihr hinfüro diese tragische Poß gut machen werdet,[73] weil ihr schon bey der ersten Prob und Musterung den Schick-an so beredtsam gepocht, gezwickt und ausgerieben habt. Ich geb euch allen gedoppelten Lohn von Stund an. Ihr, mein Schatz, (so sprach er zu seinem Weib) macht eure Spenden wie's euch gefällt; all meine Baarschaft habt ihr in euerm Verschluß und Gewahrsam. Ich für mein Theil trink itzt fürs erst auf euer aller Wohlseyn hie, meine guten Freund'. Wohlan, nehmt hin, er ist gut und frisch. Zum zweyten, ihr, mein Haushofmeister, nehmt dieß silberne Becken; ich schenks euch. Ihr, Kämmrer, nehmt diese beyden Kelch von verguldetem Silber und eure Pagen laßt mir drey Monat ungefochtelt. Mein Schatz, gebt ihnen meine guten weissen Federbüsch mit den güldnen Flunkern. Euch, mein Herr Pfarrer Oudart, verehr ich diese silberne Flasch; und diese andre den Köchen. Den Kammerdienern schenk ich diesen silbernen Korb, den Stallbedienten dieß Schifflein von verguldetem Silber; dem Pförtner diese zwo Teller; den Saumroßtreibern diese zehn Suppennäpf. Trudon, nehmt all die silbernen Löffel und diese Zuckerbüchs; ihr, Lackayen, dieß grosse Salzfaß. Dient mir treu, ich werds erkennen, lieben Freund: und glaubet fest, ich wollt im Krieg, so wahr mir Gott helf: lieber ein hundert Keulenschläg auf den Helm erdulden in unsers guten Königs Dienst, als mich von diesen Hundsschick-anern ein einzig Mal citiren lassen, solch einem feisten Prior zum Spaß.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 71-74.
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