Neunzehntes Kapitel.

[89] Wie sich Panurg und Bruder Jahn während des Sturms gebährdeten.


Nachdem Pantagruel vorläufig zum grossen Gott dem Helfer Aller um Schutz gefleht und sein Gebet mit heisser Andacht öffentlich verrichtet hätt, hielt er den Mastbaum auf den Rath des Steuermannes, mit beyden Armen fest umschlungen. Bruder Jahn, bis aufs Wams entkleidet, half den Matrosen; so thäten auch Epistemon, Ponokrates und die Uebrigen. Panurg allein saß heulend und winselnd nach wie vor, auf seinem Loch auf dem Verdeck. Bruder Jahn kam die Coursi entlang, sah ihn da sitzen und sprach zu ihm: Kreuz Gottes! Panurg! Hans Kalb, Hans Greiner, Hans Heularß, weit gescheiter wär's, du hülfst uns hie, statt daß du so flennst wie 'n alte Kuh, und auf deinen Geilen da hockst wie ein Buschgott! – Bebebebububu, antwort Panurg, Bruder Jahn, mein Freund, mein liebster Vater, ach[89] ich ersauf, ich ersauf, mein Freund, ich ersauf. Mit mir ist's aus, mein geistlicher Vater, mein Freund! rein aus; euer Fochtel kann mir nun nix mehr helfen. Auwai, Auwai. Itzt sind wir über's Fis hinaus, über alle Scal, bebebebebubu, auwai, auwai! itzt sind wir unter'm Gamma ut, ach ich ersauf, mein Vater, mein Ohm, mein Alles! Schon lauft mir das Wasser durch den Kragen in die Schuh. Bububu päsch, hühühühahahahaha, ich ersauf. Auwai, auwai! hühühühühühü, bebebubu bobububu hohohohoho, auwai, auwai! Schaut her, itzt mach ich den Gabel-Baum, die Bein zu Berg, das Haupt zu Thal. Wollt Gott, ich wär itzt in dem Huker der lieben, feisten, hochwürdigen Concilien-Väter, die uns heut morgen begegnet sind! Ach was für fromme, lustige, speckfette, liebe Leut das waren! Hololololololo, auwai, auwai! Die Satans-Well da (Herr, straf mich nicht!) ich mein die Gottes-Well, wird uns das Schiff einschmeissen. Auwai, Bruder Jahn! mein Vater, mein Freund, Beicht! seht, ich knie schon: Confiteor. Euern heiligen Segen!

Hui, Rabenaas, in's drey Teufels Namen! schrie Bruder Jahn, itzt schier dich her und hilf! Na, wird's bald? – O nicht fluchen! mein Freund, mein Vater, sprach Panurg, nur jetzt nicht! Morgen soviel du wilt. Holololo auwai, das Schiff zieht Wasser; ich ersauf, auwai, auwai! Achtzehnhunderttausend Thaler Leibrent gäb ich drum, wer mich aufs Trockne brächt, bedreckt und bekleckt wie ich da bin, trotz Einem in meinem Dreck-Nest. Au, auwai, Confiteor! Nur ein Wörtlein von Testament, oder Codizill zum mindesten!

Daß doch dem Hahnrey gleich tausend höllische Teufel in den Magen schlügen! rief Bruder Jahn. Kreuz Gottes! schwatzest du itzund von Testament, itzt da wir in Noth sind und uns ein Herz zu fassen ziemt, nun und nimmer? Wird er bald hergehn? ho Teufel, ho Comit, mein Schatz! Ah, wackrer Argousin! Hieher, Gymnast! da auf den Kuhl! Bey des Herrn Leichnam, heut geht's uns nah zur Kehl.[90] Schaut hin, die Latern ist auch aus. Das geht kopfüber zu allen Legionen Teufeln. – Auwai, auwai, auwai, bubu, wehklagt Panurg, bububu, auwai, hier also muß es gestorben seyn? Holoholo, ihr lieben Leut, ich ersauf, ich sterb. Consummatum est. S'ist aus mit mir.

Ey lirum, larum, schrie Bruder Jahn; pfui, wie er aussieht, der Mist-Heularß, der häßliche Greiner! He, Ohrlamm! daß dich der Donner und's Wetter! Schau zur Scantol. Hast dich blessirt? Kreuz Element! Bind an den Beting, da, so 'rum, ins drey Teufels Namen, hoch! so, mein Sohn! –

Ach, sprach Panurg, ach, Bruder Jahn, mein geistlicher Bater, mein Freund! nicht fluchen! ihr sündigt schwer. Auwai, auwai, bebebebububu. Ich ersauf, ich sterb, meine Freund! ich vergeb allen Menschen. Adè! In manus. Bububuhuhuhuhuhu, Sanct Michel von Aure, Sanct Niklas, dießmal und nicht wieder! Ich thu euch hier und unserm Herrgott ein streng Gelübd: wenn ihr mir helft in diesem Kreuz, ich mein, wenn ihr aus dieser Noth mich an Land wollt setzen, will ich euch auch eine schöne, grosse, kleine Kapell baun, oder zwey, zwischen Quande und Monsoreau, da weder Heu soll wachsen noch Stroh. Auwai, auwai, über achtzehn Eimer oder zwey hab ich nun schon ins Maul gekriegt. Bubububububu, ach wie das bitter und salzig schmeckt! – Bey des Frohnleichnams Blut und Fleisch, Bauch, Kopf und Schopf! schwur Bruder Jahn, wo ich dich Heulhur noch länger hör mautzen, bürst ich dich wie ein Seewolf ab. Potz Sackerdammm, was wirft man ihn nicht auf den untersten Grund des Meeres? He, Rojer! lieber Gesell! So, Freund: halt fest da droben. Meiner Treu, dieß heißt gedonnert, dieß heißt geblitzt. Ich glaub, heut sind alle Teufel los, oder Proserpina liegt im Kreissen. Alle Teufel tanzen nach Zymbeln dazu.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 89-91.
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