Zwanzigstes Kapitel.

[91] Wie die Schiffsmannschaft die Schiff im fliegenden Sturm verloren giebt.


Ach, sprach Panurg, ihr sündigt schwer, Bruder Jahn, mein ehemaliger Freund! Ehemaliger, sag ich, denn jetzt bin ich nix mehr, und ihr seyd auch nix. Mir leid daß ichs euch sagen muß; denn ich glaub wohl daß euer Milz dieß Fluchen sehr zu Statten kommt, wie man einem Holzhacker auch damit einen grossen Trost erzeigen kann, wenn man bey jedem Hieb den er thut, mit lauter Stimm ihm »Plautz!« zuruft: und ein Kegelschieber, der seine Boßel falsch aufgesetzt hat, wunderbarlich dadurch erquickt wird, wenn neben ihm ein gescheiter Mensch sich mit dem Kopf und halbem Leib nach der Seit hin beugt, wo die Boßel, wenn er sie recht geworfen, Kegel getroffen hätt. Und dennoch sündigt ihr, süsser Freund. Wie aber, wenn wir itzt so was wie Kaviar-Schnitten ässen, sollt uns dieß nicht schirmen in dieser Kühlt? Ich hab gelesen, wer auf der See in Sturmesnöthen nie Furcht gehabt hätt, stets unversehrt geblieben wär, das wären die Diener der Kaviars- oder Kabirischen Götter gewesen, so weltberühmt durch Orpheus, Strabo, Apollonius, Pherecydes, Pausanias, Herodotus.

Herr Gott! er radotirt, der arme Tropf, sprach Bruder Jahn. Daß doch die alte Höllen-Heulhur bey hunderttausend Schock Millionen Teufel wär! Hie hilf! Ho Tyger! Wird's bald? Hie her! Luvwärts! Ey Gottes Haupt voll Reliquien! was für ein Affenpaternoster brömmelst mal wieder zwischen den Zähnen? Der Seehundsnarr ist Schuld am Sturm, und er allein rührt keine Hand. Komm ich nur hin, bey Gott, ich straf dich wie ein Sturm-Teufel! Hieher, Botsknecht, hieher, mein Schatz! Halt gut, daß ich den griech'schen Knopf mach. O braver Bursch! Wollt Gott du wärst mir Abt zu Bourges, und der's itzt ist, wär Gardian[92] in Croullay. Bruder Ponokrates! wirst dir noch weh thun. Epistemon, nimm dich vorm Schießgaat dort in Acht, ich hab einen Blitz drein fahren sehen. Hieß auf! So recht, ist wohl gesprochen. Hieß auf! hieß auf! hieß auf! Die Jöll her! hieß auf! Hilf heiliger Gott! was ist das? Die Nas ist in Stücken. Blitzt, Teufel, farzt, grölzt, pfercht! Pest! wär die See: sie hätt mich, beym grossen Gott schier vom Deck geschwemmt. Ich glaub alle Teufel halten hie Provinzialkapitel, oder zausen sich um die neue Rektor-Wahl. Ree! Luvwärts! so recht. Kopf weg! hoch Bursch! ins Teufels Namen, hoch! Ree! Ree!

Bebebebebubububu, schrie Panurg, bububebebubu, ich ersauf, ich seh weder Himmel noch Erd mehr, auwai, auwai! Von vier Elementen hats hie nur noch Feuer und Wasser. Bububububu. O wollt doch der grundgütige Gott daß ich anitzt zu dieser Frist in Sevillé im Garten wär, oder beym Bäcken Innozenz in Chinon am Bildkeller, wenn ich ihm auch seine kleinen Pasteten in blosen Aermeln müßt schmoren helfen. Bootsmann, könnt ihr uns nicht wo landen? Ihr wißt ja so viel gute Künst, hab ich gehört? Ich schenk euch auch ganz Salmigundien und meine grosse Schlammbeisserey, wenn ihr durch euern Witz mir nur dießmal geschickt auf trocknen Boden helft. Auwai, auwai, ich ersauf! ich ersauf! Wohlan, geliebte Freund, weil wir nun doch keinen sichern Hafen erreichen, kommt! laßt uns auf die Rhed gehn! wo, das weiß ich nicht. Die Anker zu! all mit einander. Um Gottes Willen, macht dieser Noth ein End, ich bitt. Maat, werft den Lichter aus, und's Loth! Um Gott, laßt uns die Höh erfahren von dieser Tief; peylt, Maat, mein Freund, in's Heilands Namen, peylt! Laßt sehn ob man auch hie im Stehn commod ohn sich zu bücken saufen könnt. Mir schwan't so was.

Hohl aus! Hohl aus! hoch! schrie der Steuermann. An die Taljen! Streicht! Streicht! Hohl auf! den Fall! das Drehreep! Angehohlt! Die Schlinger-Pardunsen! Hoch! Halsen zu! Dicht zu! Hoch! Seewärts angelegen! Aufgehohlt! den Helmstock ausgehenkt! Leg bey! – Ist es[93] bis dahin mit uns kommen? sprach Pantagruel, nun so helf uns der gute Gott und Heiland! – Hoch! legt bey, legt bey! rief Jakob Brayer der Hochbootsmann, legt bey! Ein jeder denk itzt an seiner Seelen Heil und befehl sich Gott: hie hilft nix mehr, der Himmel müßt denn ein Wunder thun. – So kommt dann, sprach Panurg, und laßt uns ein feines zierliches Gelübd thun. Auwai, auwai, auwai, bubu, bebebebebubu, auwai, auwai! eine Wallfahrt, sasa! aufgeblecht! ein Jeder geb seine drey Heller dazu.

Hoch! So'rum! ins drey Teufels Namen! schrie Bruder Jahn, Leewärts leg bey! Gieb Gott die Ehr, den Helmstock 'raus! leg bey! hoch! hoch! Und sauft eins, hoch! vom Besten sag' ich, vom Magentrost. Hörst, Boutelier? Lauf, schaff! dafür gehts auch zu dreyssig Legionen Teufeln. He, Bub! Bring mein Gezerr! (so hieß er sein Brevier) Paß auf, mein Freund! Nun zerr, mein Freund! So. Gottes Wetter! Dieß heiß ich geblitzt, dieß heiß ich geschloost. Halt fest da droben, ich bitt euch drum. Wann han wir denn Aller Heiligen Tag? Heut glaub ich, ist Aller gräulichen Teufel.

Ach! sprach Panurg, mein Bruder Jahn flucht sich muthwillig in die Höll. O, ich verlier einen theuern Freund an ihm! Auwai, auwai, auwai, es geht uns ärger denn vorm Jahr! Aus Scylla in Charybdin; hololo ich ersauf! Confiteor. O nur ein Wörtlein vom Testament und letztem Willen, Bruder Jahn, mein Vater! Herr Abstractor! Mein Freund, o mein Achat, Xenomanes, mein Alles! Ach! ich ersauf, ich ersauf. Zwey Wörtlein Testament! da hier, komm! auf der Hangmatt!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 91-94.
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