Vier und Zwanzigstes Kapitel.

[102] Wie Bruder Jahn Panurgen darthät, daß er sich während des Sturmes ohn Ursach geängstigt hätt.


Ey guten Tag, guten Tag, ihr Herren alle miteinander! sprach Panurg. Ihr seyd ja samt und sonders wohl. Nun Gott und euch sey Lob dafür! Seyd schön willkommen, eben recht. Frisch ausgestiegen! Rojer, ho! Her mit der Trepp! die Schlup heran! Kann ich euch etwann dort noch helfen? Ich lechz, ich reintsch nach bravem Dienst und Arbeit, wie vier Acker-Ochsen. Fürwahr, dieß ist ein feiner Ort, recht liebe Leut. Ihr Kinder, braucht ihr noch meiner Hülf? Um Gottes Willen, schont nur nicht den Schweiß meines Angesichts. Adam (der Mensch) der ward zu Müh und Arbeit, wie der Vogel zum Fliegen erschaffen. Unser Herrgott, wißt ihr wohl, will daß wir im Schweiß unsres Angesichtes unser Brod sollen essen, und nicht in Faulheit, wie dieser große Schlaps von Mönch hier, der Bruder Jahn, der sich besäuft vor Todesangst. Das macht schön Wetter! Jetzo erkenn ich erst, wie wahr und wohl erwogen jenes Wort des edeln Philosophen Anacharsis war, als man ihn frug welches[102] Schiff ihm das sicherste schien, und er sprach, das im Hafen wäre.

Noch besser, sprach Pantagruel, als er, befragt ob der Todten Zahl oder der Lebenden grösser wär, wiederum frug: zu welchen zählt ihr die Schiffer auf der See? Womit er fein zu verstehen wollt geben, daß die Schiffenden auf der See in so beständiger Todesgefahr sind, daß sie gleichsam sterbend leben und lebend sterben.

Wie Cato sagt', er bereuet' drey Ding alleyn: wenn er jemals einem Weib ein Geheimniß offenbaret hätt; wenn er jemals einen Tag mit Müssiggehn verthan; und wenn er an einen Ort zur See gereist wär, da er zu Land hätt hinkommen mögen.

Bey meiner theuern Kutt die ich trag! sprach Bruder Jahn zu Panurgen, Cujon mein Freund, du hast dich traun ohn allen Grund und Ursach während des Sturms geängstigt. Denn es ist dir gar nicht beschieden im Wasser zu sterben: du wirst ohnfehlbar einst hoch in Lüften aufgehenkt, oder lustig gebraten bey einem hellen Feuerlein, wie ein Vaterunser-Trömeler. Gestrenger Herr, wollt ihr einen guten Regen-Rock? Laßt diese Wolfs- und Grevynkspelz; laßt nur Panurgen das Fell abziehn und thut es um. Nehmt euch in Acht daß ihr dem Feuer nicht zu nah kommt; geht nicht vor Schmieden vorbey damit, bey Leib nicht! denn in einem Nu wär's Staub und Asch': allein dem Regen, dem Schnee, dem Hagel trutzt darinn so lang ihr wollt. In Gottes Namen taucht in das Wasser bis auf den Grund, es wird euch wahrlich kein Finger naß. Macht Winter-Stiefel draus, die ziehn im Leben kein Wasser; macht Reussen draus, den jungen Leuten das Schwimmen zu lehren; werden's ohn allen Schaden lernen. – Sein Fell wär also, sprach Pantagruel, wie das Kräutlein Venushaar, das nimmer naß noch feucht wird, ewig trocken bleibt, taucht es so lang ihr wollt ins Wasser, derhalb es Adiantos heißt?

Drum, Freund Panurg, fuhr Bruder Jahn fort, hab du nur keine Furcht vor'm Wasser; ich bitt dich drum: das Element das deinem Leben ein End macht, ist ein andres. – Ja doch! sprach Panurg, allein die höllischen Köch versehn[103] sich und pudeln mitunter in ihrem Dienst, und setzen oft zum Sieden an was braten sollt: wie schon bey uns in unserer Schiffsküch die Herren Köch oft Feldhühnlein, Turtel- und Ringeltauben spicken; man dächt, sie wolltens braten lassen; gleichwohl hat man schon oft erlebt, daß sie die Hühner mit Kohl, die Turteln mit Schnittlauch und die Ringeltauben mit weissen Rüben gesotten haben.

Itzt hört mich an, ihr schönen Freund'! Vor dieser edeln Clerisey erklär ich hiermit feyerlich: was die Kapell betrifft, die ich dem heiligen Monsieur Nikolas zwischen Quande und Monssoreau gelobt hab, da versteh ich drunter eine Goldschmiedskapell; weder Heu noch Stroh soll dadrinn wachsen, denn ich werf sie ins Wasser wo's am tiefsten ist. – Nun seht den Zeisig! rief Eusthenes, den feinen Zeisig, den saubern Zeisig! Der macht das Lombardische Sprichwort wahr:


Passato el pericolo, gabbato el Santo.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 102-104.
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