Vier und Vierzigstes Kapitel.

[150] Wie kleine Regen grosse Wind legen.


Pantagruel lobt' ihr Wirtschaft und Art zu leben; darauf sprach er zu ihrem Landvogt Hypenemian: Wenn ihr der Meinung Epikur's seyd, welcher das höchste Gut in Wollust (ich mein' eine läßliche, keineswegs mühsame Wollust) setzet, muß ich euch glücklich preisen: denn da eu'r Leben aus Wind besteht, so kostets euch nichts, oder doch wenig: ihr dürft nur blasen. – Wohl wahr, versetzt' der Landvogt, nur daß leider in diesem irdischen Leben kein Glück vollkommen ist! Oft, wenn wir uns eben über Tisch an einem guten scharfen Wind Gottes recht wie an einem himmlischen Manna, froh wie Prälaten erlustigen, flugs kommt ein kleiner winziger Regen und stiehlt ihn uns vorm Maule weg, und legt ihn lahm. So kommen wir um manchen Schmaus, aus Mangel an Futter. – Das ist ja, sprach Panurg, wie Hänsel von Quinquenais, der seiner Gret auf den Stertzen brunzt', und dergestalt den müffigen Wind legt', der wie aus einer magistralischen Aeolipyl, daraus herfürquoll. Jüngst macht ich den artigen Zehner darauf:


Eins Abends probet Hänsel seinen Wein,

Der ihm noch trüb und jung im Faß thät brausen;

Sprach dann zur Gretel: bring die Rüben 'rein,

Daß wir zu Nächten wie die Fürsten schmausen.

Gesagt, gethan: und ohne Furcht noch Grausen[150]

Geht man zu Bett, scharmüzzelt, pflegt der Ruh.

Doch, armer Hans! er schloß kein Auge zu;

So hitzig fistet Gretel, so geschwinde.

Da brünzelt' er sie an, und sprach: Siehst du

Wie kleiner Regen leget grosse Winde!


Dazu, sprach der Landvogt, haben wir auch noch jährlich eine grosse und schwere Landplag auszustehn. Ein Ries mit Namen Schnautzhahn nämlich, der auf der Insel Tohu wohnt, kommt alle Jahre im ersten Frühling auf den Rath seiner Aerzt hieher purgiren, und dann schlingt er uns eine grosse Zahl Windmühlen hinunter wie Pillen, auch Pfeifen gleicherweis; darauf er sehr erpicht ist. Welches uns grossen Schaden thut und jährlich drey bis vier Fasten zuzieht, derer besondern Buß- und Bettag nicht zu gedenken.

Könnt ihr aber, frug Pantagruel, dem nicht steuern? – Auf den Rath unsrer Herrn Mesariner, antwortet' ihm der Landvogt, thäten wir um die Jahreszeit da er gewöhnlich zu uns kommt, eine ganze Meng Hähn und Hühner in die Mühlen. Das erste Mal, nachdem er sie verschlungen, wär er bey einem Haar daran gestorben; denn sie kräheten ihm im Leib, und flogen ihm im Magen umher, daß er in Ohnmacht, Herzgespann und schauderhaft gefährliche Verzuckungen fiel; nicht anders als wenn ihm eine Schlange durchs Maul in den Magen gefahren wäre. – Dieß Simile, sprach Bruder Jahn, reimt sich hieher sehr schlecht, und paßt nicht: denn ich hab vorlängst gehört daß eine Schlang im Magen niemandem Leids thu und gleich wieder ausfahr, wenn man den Kranken bey den Beinen nimmt und ihm ein Pfännlein warmer Milch vor den Mund hält. – So habt ihrs, sprach Pantagruel wohl sagen hören, und Die gleichfalls, die's euch erzählten; aber niemals hat man die Cur mit Augen gesehen, noch gelesen. Hippokrates im Fünften Epid. schreibt daß der Fall zu seiner Zeit einmal sich zugetragen hab, und der Patient an jähen Krämpfen und Zuckungen plötzlich verschieden sey.

Ferner, fuhr der Landvogt fort, rannten auch alle Füchs des Landes den Hühnern nach, ihm in den Hals; und war des Todes, wenn er nicht den Rath eines schnurrigen Zaubrers[151] befolgt und als Gegengift und Andidotum, just in der Stund des Paroxismus einen Fuchs geschunden hätt. Seitdem hat man's noch schlauer probirt und giebt ihm itzt ein Klystier dagegen aus einer Decoction von Rocken- und Hirsekörnern, darnach die Hühner, und von Gänslebern, darnach die Füchs gehen: item Pillen einzunehmen, von Dächsel- und Windhundsfleisch. – Ist das nicht Kreuz genug für uns? – Seyd nur ohn Furcht, ihr lieben Leut hinfüro, sprach Pantragruel. Denn dieser grosse Windmühlenfresser Schnautzhahn ist todt, ich kanns bezeugen: und zwar erstickt' er und erwürgt' an einem frischen Butterwecken, den er auf Fürschrift seiner Aerzt an einem heissen Ofenloch aß.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 150-152.
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