Fünf und Sechzigstes Kapitel.

[209] Wie Pantagruel mit seinen Leuten das Wetter hub.


In welche Hierarchi von solchem Giftgeschmeiß, frug Bruder Jahn, setzt ihr Panurgens künftiges Weib? – Wie, Mönch! du Kahl-Arß, und verlöffelter Bauchpfaff, rief Panurg, wilt Du auf Weiber schimpfen? – Nun, bei dem cönomanischen Grimmdarm! sprach Epistemon, das hat schon Euripides geschrieben und sagts bey ihm die Andromache, daß wider alle giftige Thier durch Menschenwitz und Götterlehr ein triftig Mittel erfunden wär, nur wider böse Weiber sey bis dato noch kein Mittel erfunden. – O, sprach Panurg,[209] dieß Großmaul, der Euripides hat allzeit auf die Weiber gescholten: dafür traf ihn auch Gottes Rach, und ist von Hunden gefressen worden, wie Aristophanes ihm vorruckt. Nu weiter! Wer was hat, der sag's.

Ich will, sprach Epistemon, jetzo brunzen so lang's eins haben will. – Ich hab itzt, sprach Xenomanes, meinen Magen fürs Haus versehen und ballastirt; itzt kippt er weder zur linken noch zur rechten Seit. – Ich hab, sprach Karpalim, Wein und Brod; was frag ich nach Durst und Hungersnoth? – Ich, sprach Panurg, bin nicht mehr grämlich, Gott seys gedankt und euch, ihr Herren. Ich bin so frisch wie im Wasser der Fisch, froh wie ein Schweimerling, lustig wie ein Schmetterling. Eu'r feiner Euripides hat ganz recht und sein denkwürdiger Saufgesell Silenus mit ihm, wenn er sagt:


Wahnwitzig ist und schier im Kopf verwirrt

Wer, wann er trinkt, davon nicht fröhlig wird,


Ohn allen Zweifel müssen wir Gott unsern guten Schöpfer, Erhalter, Ernährer und Versorger preisen daß er uns durch dieß gute Brot, diesen guten kühlen Wein von solchen Leibes- und Seelen Gepresten befreyt und heilt, der Freud und Wollust nicht zu gedenken, die wir am Essen und Trinken haben. Aber ihr habt ja diesem frommen, gerechten Bruder Jahn noch nicht auf seine Frag Bescheid gethan, als er wissen wollt wie wir das Wetter hüben?

Da ihr euch, sprach Pantagruel, an dieser leichten Auflösung eurer Zweifel genügen lasset, so thu ichs auch. Ein ander Mal, zu seiner Zeit, wenn's euch geliebt, sprechen wir's wohl weiter. Blieb uns also nur noch Bruder Jahns Bedenken zu erledigen: wie man das Wetter heben möcht. Ey haben wirs nicht nach Wunsch gehoben? Seht nur den Flügel auf dem Mars; seht wie die Segel pfeifen; seht wie straff die Stagen und Schoten stehn, die Wandtau, Fäll und Taljereepen!

Als wir die Becher huben und leerten, da hat sich das[210] Wetter mitgehoben durch heimliche Sympathi der Natur. So huben's auch Atlas und Herkules, wenn wir den weisen Mythologis glauben. Nur huben sie's um einen halben Stich zu hoch; Atlas, seinen Gast Herkules froher zu bewirthen; Herkules, wegen des im Libyschen Sand zuvor erlittnen Durstes. – (Potz Wurst! fiel Bruder Jahn hier ein, da machts Turlupin, Eures guten Vaters Kellner anders; der erspart, wie mir hochwürdige Doctors versichern, jährlich über achtzehnhundert Pipen Weins damit, daß er den Fremden und Knechten zu trinken giebt eh sie durstig werden.) – Denn, fuhr Pantagruel weiter fort, wie die Kameel und Dromedar in den Karawanen für dreyerley Durst, den vergangenen, gegenwärt'gen und künftigen auf einmal trinken, so auch Herkules: dergestalt, daß durch dieß überschwengliche Heben des Wetters eine neue Bewegung des Zitterns und Schwankens am Himmel entstund, worüber die närrischen Astrologen so viel gestritten und hin und wider gebelfert haben.

Er besagts auch, sprach Panurg, der alte Spruch:


Schlimm Wetter flieht, und helle Sonn muß blinken

Beym Becherklang und feisten Schinken.


Und nicht nur, sprach Pantagruel, haben wir das Wetter essend und trinkend gehoben, sondern auch das Schiff gar sehr erleichtert; nicht nur die Art wie jener Brotkorb des Aesopus leichter ward, nämlich durch Ausleerung des Vorraths, sondern auch indem wir uns entnüchterten. Denn, wie der todte Leib schwerer als der lebendige wiegt, so ist auch der nüchterne Mensch schwerer und erdiger als nachdem er getrunken und gegessen hat. Und ist nicht ungeschickt was Leut auf einer langen Reis begriffen, früh in der Herberg wenn sie brav getrunken und gefrühstuckt haben, zu sagen pflegen: Jetzo werden die Rößlein desto besser gehn.

Wißt ihr nicht daß die Amykläer weiland vor allen andern Göttern den edeln Vater Bacchus ehrten und zu ihm beteten, und ihn mit sehr bedeutsam passendem Namen Psila nannten? Psila heißt in Dorischer Mundart Flügel. Denn wie sich der Vogel mit seinen Flügeln hoch und leicht in die Luft emporschwingt, so werden auch durch Bacchus[211] Beystand, das ist des guten edeln Firnweins, der Menschen Geister hocherhaben, die Leiber offenbar beschwingt, und was dran irdisch war, geschmeidigt.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 209-212.
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