Eilftes Kapitel.

[253] Wie wir gen Verwahrsam fuhren, wo Krellhinz wohnt', der Erzherzog der Katzenbälger.


Von dort erfuhren wir demnächst Verurtheilung: auch dieß ist ein sehr wüstes Eiland. Ferner fuhren wir gen Verwahrsam, wo Pantagruel nicht ausstieg, und auch sehr wohl dran thät; denn wir wurden da arretirt und Knall und Fall ins Loch gestochen auf Befehl Krellhinzens, des Erzherzogs der Katzenbälger, weil ein Mann von unsrer Gesellschaft einem Greifzu Prellohütlein verkaufen wollt.

Das sind euch gar erschreckliche furchtbare Thier, die Katzenbälger! Sie fressen kleine Kinder, Schluck und Druck, von kalten Marmelsteinen. Urtheilt nun selbst, ihr lieben Zecher, ob sie nicht stark verschnupft seyn müssen. Einwärts, nicht nach aussen kehren sie das Rauche ihrer Bälg, und jeder trägt einen offenen Schnappsack zu seiner Devis und Symbolum, wiewohl nicht all in gleicher Art. Denn die Einen tragen ihn wie eine Schärp um den Hals geworfen, Andre auf dem Steiß, noch Andre vor dem Wanst, und wieder Andre an der Seiten: und das alles nach ganz besonderen Mysterien und Unterschieden. Ihre Krallen an den Klauen sind so stark und lang, und scharf wie Eisen, daß ihnen gar nichts entwischen kann was sie einmal mit ihren Fängen ergattert haben. Auf ihre Köpf setzen sie bald Vierschnepfel- oder Dachtraufmützen, bald umgestülpte Pelzmützlein, bald Mörsel, bald gemörselte Mordhüt und Käppel.

Beym Eintritt in ihr Ratzenlager sagt' uns ein armer Spittel-Pracher, dem wir ein halbes Büsel schenkten: Ach brave Leut, Gott geb daß ihr doch bald gesunden Leibes wieder von da 'raus kommt! Merket wohl auf die Gebährden dieser tapfern Strebepfeiler krellhinzischer Gerechtigkeit; und denkt daß ihr, wenn ihr noch sechs Olympiaden[254] und zwey Hundsalter lebt, dieß Volk der Katzenbälger über ganz Europa werdet herrschen und im friedlichen Besitzthum aller liegenden und fahrenden Güter drinn schalten sehen, wo nicht bald durch Gottes Straf ihr unrecht Gut und freventlich erworbner Mammon ihren Erben wieder zerrönn. Glaubt einem ehrlichen Bettelmann. Denn unter ihnen dominirt die Sext-Essenz, vermittelst deren sie alles krallen, alles schlingen und bescheissen. Sie sengen, brennen, vierteln, köpfen, rädern, knebeln, zwicken, schinden, schaben untergraben alles, ohn Unterscheid des Guten noch Bösen. Denn Laster heißt bey ihnen Tugend, Bosheit Güt, Verrätherey ist ihnen Treu, Diebstahl nennen sie Edelmuth: Raub ist ihr Wahlspruch und wird, sobald sie ihn begehn, von allen Menschen gut geheissen, außer von den Ketzern: und dieß alles thun sie unumschränkt aus höchster Machtvollkommenheit.

Zum Zeichen meiner Warnung, gebt nur auf ihre Krippen drinnen acht: die werd ihr oben über den Raufen befestigt finden; und seiner Zeit gedenkt hieran. Und wenn je Pest, Krieg, Hunger, Erdfäll, Brand, Wassersnöthen, Unglück aller Art die Welt heimsuchen wird, das ziehet mir und schiebt es nur nicht auf die Stellung böser Stern, noch auf den Unfug des Römischen Hofes, schreibt es auch nicht der Tyranney der Könige und Erdenfürsten, nicht den Finten der Kuttner, Ketzer, Wahnpropheten, nicht den Tücken der Wuchergeyer, Kipper und Wipper, Falschmünzer, nicht der frechen Dummheit und Verblendung der Aerzt, Chirurgen, Apotheker, nicht der Bosheit der giftmischenden, ehebrüchigen, kindesmördrischen Weiber zu. Nein, meßt es einzig und allein dem unsäglichen Uebel, der unermeßlich unglaublichen Verruchtheit bey, die hie allstündlich im Rüsthaus dieser Katzenbälger geschmiedet wird: davon die Welt zur Zeit nicht mehr als von der Juden-Kabala weiß, darum ist sie auch noch nicht nach Fug verabscheut und gezüchtigt worden.

Wann sie aber erst eines Tags wird offenbar und allem Volk erkenntlich werden, dann ist, noch war auch jemals ein so fertiger Redner, dessen Kunst es hindern möcht, kein noch so streng Drakonisches Gesetz, das es durch Furcht der Straf verhüthen möcht, und keine so starke Obrigkeit, die[255] mit Gewalt sie schützen möcht daß nicht all elendiglich dadrinn in ihrem Ratzennest lebendigen Leibes gebraten würden. Ja ihren eignen Kindern, den Katzbälgerlein und andern Verwandten sind sie zum Gräuel und Abscheu worden. Derhalb auch, wie einst Hannibal seinem Vater Hamilkar heilig und feyerlich geloben mußt die Römer Zeit seines ganzen Lebens zu verfolgen; so auch ich von meinem Vater Seeligern vereidigt bin so lang hie haussen zu verharren bis das Feuer des Himmels drein schlägt und sie zu Staub und Aschen brennt, als andre Titanen, Heiden, Ketzer, Unheilige und Götterfeind': weil doch der Menschen Herzen einmal sogar in Grund verhärtet sind, daß sie das Uebel das sie traf, trifft, oder treffen wird, vergessen, nicht empfinden noch von weitem im Anzug sehn und, wenn sies empfänden, es auszurotten nicht Muth, Lust, Kraft noch Willen haben.

Waas? rief Panurg, wie ist mir denn? Da bleib ich weg! Bey Gott da komm ich nicht hin. Linksum! Zurück! Um Gottes Willen, sag ich! Wie Donner am grünen Donnerstag tönt mir was dieser edle Bettler sprach. – Als wir uns aber zurückziehn wollten, da fanden wir das Thor verrammelt, und sagten uns daß man zwar leicht, wie zum Averno, dort entrirt'; der Ausgang wär nur etwas schwierig; und daß wir ohn Passirschein von der Rota platterdings nicht wieder frey kämen, aus dem simpeln Grund, weil man nicht aus dem Kehricht käm wie aus den Kirschen, und wir auch staubige Stiefel hätten.

Das Schlimmst war aber, wie wir in Verwahrsam kamen; denn wir wurden wegen unsers Passirscheins und Laufzeddels vor ein Unthier gestellt, das scheußlichste so je erhöret. Man hieß es Krellhinz, und ich kanns euch nicht füglicher vergleichen als einer Chimära oder Sphinx und Cerberus, oder auch dem Bild des Osiris, wie ihn die alten Aegyptier malten, mit drey zusamengewachsenen Köpfen, nämlich eines brüllenden Leuen, eines wedelnden Hunds, und eines lechzenden[256] Wolfs, von einem Drachen umschlungen, der sich in den Schwanz beißt, und feurige Strahlen rings herum.

Seine Tatzen waren voll Blut, die Krallen wie Harpyenkrallen, die Schnautz in Form eines Rabenschnabels, das Gebiß wie die Hauer eines vierjährigen Eberschweins, die Augen flammten wie Höllenschlünd; und um und um war es mit Mörseln und Stempeln dazwischen ganz bedeckt, nur daß die Krallen zu Tage stunden.

Zum Stuhl dient' ihm und seiner ganzen mauskätzerischen Klerisey eine lange funkelneue Heu-Rauf, über welcher, wie der Bettler uns schon gesagt, an Winkelhaken sehr schöne geräumige Krippen hingen. Ueber dem Präsidentensitz war eine alte Frau gemalt, die eine Sichel-Scheid in der rechten, eine Wag in der linken Hand hielt, und eine Brill auf der Nasen trug. Die Wagschaalen waren zwey sammeten Schnappsäck; der ein, voll Münz, hing tief herab, der andre schlapp und leer, hoch oben über dem Zünglein. Dieß war, mein ich, das Bildniß der Krellhinzischen Gerechtigkeit, zum Unterschied von dem Gebrauch der alten Thebaner, die die Statuen ihrer Richter und Dikasten nach ihrem Tod in Gold, in Silber oder Marmel, nach ihren Verdiensten, all ohn Händ abbilden liessen.

Als wir nun vor ihn hin getreten, hieß uns ich weiß nicht was für Volk, es ging in lauter Schnappsäck gekleidet, auf einen Schemel niedersitzen. – Hundsfütter! lieben Freunde, sprach Panurg, ich steh hie gut, sehr gut. Für einen Mann von neuen Hosen und kurzem Wams, ist er ohnhin zu niedrig. – Setzt euch! brüllten sie, nur gesetzt, und laßt es euch nicht zweymal sagen: oder gleich soll sich die Erd aufthun und euch mit Haut und Haar verschlingen, wo ihr nicht brave Antwort gebt.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 253-257.
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