Siebzehntes Kapitel.

[274] Wie wir Vorwarts passirten, und wie Panurg allda bey einem Haar gestorben wär.


Stracks fuhren wir geraden Wegs nach Vorwarts und erzählten dem Pantagruel unsre Ebentheuer, der sehr bekümmert darüber war und ein Paar Elegien drauf macht' zum Zeitvertreib. Dort angelangt, restaurirten wir uns ein wenig, und nahmen frisches Wasser ein, auch Holz in Vorrath; und schienen uns die Leut des Landes, ihrem Schick und Blick nach, gute Gesellen und wohl genährt. Es warzt' an ihnen alles vor, und trieften von Fett wo sie gingen und stunden. Wir sahen ihrer Mehrere (was ich in keinem andern Land noch g'sehn) die sich die Haut zerschlitzten und das Fett vorpuffen liessen, just so wie sich bey mir zu Land die aufgeblasenen Büchsenprotzer die Bäuch an ihren[274] Hosen zerschneiden, damit der Tafft durchbufft. Und meinten, sie thätens nicht etwann aus Stolz noch Hoffart, sondern weil sie sonst in ihrer Haut nicht bleiben könnten, und würden auch viel eher groß und stark darnach, wie die jungen Bäum geschwinder wüchsen, wenn ihnen der Gärtner die Rind ein wenig zerschlitzet.

Beym Hafen stand ein Wirtshaus von sehr schönem stattlichen Ansehn; da wir nun eine ganze Schaar von diesen Vor-Warzern aller Alter, Ständ und Geschlechter dorthin ziehn sahen, dachten wir, es gäb da irgend ein groß Bankett oder Gastgebot; erfuhren aber daß der Wirth sein Platz-Fest gäb, und sie dazu geladen hätt, da liefen denn Freund' und Anverwandten, Vettern und Basen, was Bein hätt, hin. Weil wir dieß Rothwelsch nun nicht verstunden, und dachten Platz-Fest wär ein Fest in diesem Land, wie wir bey uns Verlöbniß- oder Hochzeitfest, Kirchgangsfest, Schaafschur-Erntefest zu feyern pflegen, wurden wir berichtet wie der alte Wirth in seinen Tagen ein guter Schäker und leckerer Schmecker gewesen wär, ein Erz-Lyoner-Suppen-Maul und unermüdlicher Glockenzähler; die Bein hätt er in einemfort unterm Tisch g'habt, wie der Wirth zu Rouillac; und da er seit zehn Jahren nun Fett ausgeschwitzt und ausgefarzt hätt im Ueberfluß, wär er anjetzt zu seiner Platz-Neig kommen, und müßt sein Leben nach der Landessitt platzend schliessen, weil sein nun schon so lange Jahr her zerschlitztes Fell und Peritonäum seine Kaldaunen nicht mehr halten noch fassen könnt, daß sie ihm nicht durchführen, wie wenn einem Faß der Boden ausgeschlagen wär.

Ey aber, frug Panurg, ihr Leut, könnt ihr ihm denn nicht fein dicht und hecht den Bauch mit guten starken Gurten oder mit derben Spierlings-Reiffen, ja wenns seyn müßt, mit Eisen verspünden? So versohlt, blieb das Geschling doch eher bey ihm, und könnt so leicht nicht platzen? – Noch war dieß Wort nicht gar ausgesprochen, als wir einen laut schmetternden Schall in der Luft vernahmen, gleich als wenn ein starker Eichbaum mitten von einander spräng.[275] Da sagten uns die Nachbarn, hiemit wär das Platz-Fest nun zu End, und dieser Kracher sein Todesfurz.

Dieß g'mahnt' mich an den edeln Abt zu Castiliers, (denselben der seine Hausmägd nicht anders, nisi in pontificalibus zu kacheln geruht'). Als seine Verwandten und Freund in ihn drangen daß er auf seine alten Tag abdanken und der Abbatey entsagen möcht, da schwur er ihnen daß er sich nun und nimmermehr vor Schlafengehen entkleiden würde, und daß der allerletzte Furz den Seine Würden streichen liessen, ein Abts-Furz sein sollt.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 274-276.
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