Achtzehntes Kapitel.

[276] Wie unser Schiff auf den Sand gerieth, und eine Gesellschaft Quinten-Fahrer uns wieder flott macht'.


Nach Lichtung unsrer Anker und Kabel stachen wir mit sanftem Zephyr in See, und waren ungefähr ein zweyundzwanzig Meilen gefahren, als sich ein ungestümer Wirbel contrairer Wind' erhub; um den wir mit Marsree und Bulinen ein wenig herum temporisirten, nur um den Steuermann nicht zu kränken, der uns versichert' daß bey der Sanftmuth dieser Wind und ihrem muntern Wettstreit, bey so klarer Luft und stiller See weder ein grosses Glück zu hoffen, noch grosses Unglück zu fürchten stünd; wir also an den Spruch des Weisen der auszustehn und abzustehn, id est zu temporisiren rieth, uns halten sollten. Gleichwohl hielt der Wirbelwind so lang an, daß der Steuermann, von[276] unsern Bitten überwältigt, ihn zu brechen und unsern ersten Curs zu halten versucht'. Er zog also den grossen Besaan auf, hielt das Steuer scharf mittschiffs nach der Compaßspitz, und brach so den gedachten Wirbel mittelst einer steifen Kühlt die noch dazustieß. Es war uns aber kein besserer Trost als wenn wir aus der Scylla in Charybdin kämen, denn etwa zwey Meilen weiter raakten wir mit unsern Schiffen unversehens auf Triebsand wie die Wellenwerf von Sainct Maixent.

Drob all unser Schiffsvolk sich baß betrübt'. Risch pfiff der Wind durch die Misanen; nur Bruder Jahnen fochts nicht an, sondern mit freundlichen Worten sprach er Einem um den Andern Trost zu, stellt' ihnen für, daß uns der Himmel bald helfen müßt, er hätt den Kastor schon auf den Stengen reiten sehen. – Ach! rief Panurg, wollt Gott ich wär nur dieß Mal am Land und weiter gar nix! und jeder von euch Andern, die ihr der See so hold seyd, hätt zweyhunderttausend Thaler. Ich wollt euch auch ein Kalb auf eure Heimkunft nudeln und ein Schock Reisbund ins Wasser setzen. Zu! zu! ich will gern niemals freyn, macht nur daß ich aufs Trockne komm, und schafft mir einen Gaul zum Heimritt. Nach dem Reitknecht frag ich nix. Ich bin ohnhin nie besser bedient als ohne Knecht. Plautus hats nimmer erlogen wenn er die Anzahl unsrer Kreuz, id est Beschwerden, Ueberlasten und Plagen nach unsrer Knecht Zahl schätzt, und wären sie gleich ohn Zung geboren, welches das giftigst und ärgste Glied an einem Knecht ist, und für welches alle Martern, Folterbänk und Wippen, einzig und allein der Knechte halber erfunden sind, und niemand andern: denn es haben die Coctoren der Recht daraus zu unsrer Zeit in andern Ländern ein sehr alogisches, das ist unsinnigs Consequenz gezogen.

In diesen Nöthen kam ein Schiff mit Schellentrommeln ganz beladen, hart auf uns an, in dem erkannt ich Passagirer von gutem Haus, auch unter andern Herren Heinrich Cotiral den alten Knaben, der einen grossen Eselsziemer[277] am Gurt trug, wie die Weiber ihre Paternoster. In der Linken hielt er ein grosses, grobes, altes, schmierigs Barret eines Grindigen; in der Rechten einen dicken Kohlstrunk. Auf den ersten Blick da er mich erkannte, schrie er vor Freuden laut auf, und sprach zu mir: Hab ich, he hab ich? da schau her! – und wies auf seinen Eselsziemer. – Dieß ist das wahre Algamana; dieß Doctorhütlein unser einigs Elixir, und das da, (auf den Kohlstrunk deutend) das ist Lunaria Major! Wann ihr heim kommt, dann machen wirs. – Ey aber, frug ich, wo kommt ihr her? wo denkt ihr hin? was bringt ihr? habt ihr auch einmal die See probirt? – Von Quinta, sprach er, nach Touraine; Alchymie; bis an den Arß. – Und, frug ich weiter, was sind denn das für Leut die ihr da bey euch auf dem Deck habt? – Sänger, antwortet er, Poeten, Spielleut, Sterngucker, Geomanten, Reimer, Uhrmacher, Alchymisten, sämmtlich Frau Quinten pflichtig; von der haben sie schöne breite Patent und Freybrief. – Er sprach noch, als ihm Panurg, ganz wild und zornig ins Wort fiel: Nun, und ihr die ihr alles macht, bis auf gut Wetter und kleine Kinder, was scheert ihr euch nicht her und nehmt das Kaap in Schlepptau und buchsirt uns ohn langes Federlesen los, in hohe See? – Ich wollts ja eben, sprach Cotiral, na wart, itzt plötzlich, den Augenblick sollt ihr mir flott seyn! – Damit ließ er sieben Millionen fünfhundertzweyunddreyssigtausendachthundertundzehn grossen Trommeln an einem End die Böden austhun, richtet' sie mit diesem End nach dem Stander, stroppten allerwärts die Kabel scharf, daß unser Kaap an ihren Spiegel zu liegen kam, belegtens um die Polder, und auf einen Ruck war unsre Flott von den Dünen mit grosser Leichtigkeit, und nicht ohn Ohrenkitzel los: denn das Getön der Trommeln zu dem sanften Gemurmel der Kieselstein und dem Ruder-Lied des Schiffvolks schien uns der Harmoni der rollenden Gestirne nicht sehr nachzustehn, die Plato manche Nacht im Schlaf gehört will haben.[278]

Wir nun theilten, um nicht für diesen Liebesdienst des schnöden Undanks geziehn zu werden, ihnen von unsern Würsten mit, füllten ihre Trommeln voll Blunzen, und hießten ihnen zweyundsechzig Schlauch Wein aufs Deck. Da kamen aber mit einem Mal zween grosse Wallfisch im vollen Schuß an ihr Schiff gestürmt, die ihnen mehr Wasser als in der Vienne von Chinon bis nach Saulmur ist, drein gossen, all ihre Trommeln füllten, ihr ganzes Takelag' einweichten und ihnen die Hosen durchs Koller tauften. Als Panurg dieß sah, gerieth er so vor Freuden ausser sich und strengt' das Zwergfell so heftig an, daß er über zwey Stunden lang Cholik drauf kriegt'. Ich wollt ihnen, sprach er, ihr Weinl geben, aber nun sind sie zum Wasser kommen, zur rechten Zeit. Nach süssem Wasser fragens so nix, sie brauchens nur zum Händewaschen. Der Pickel aber, die gute Salzbrüh, ist just der rechte Borach, Salmiak und Nitrum in ihre Gebers-Küch.

Weiteren Zwiesprach konnten wir mit ihnen nicht halten, denn der Wirbel ließ, nach wie vor, kein Steuern zu. Auch bat uns unser Steuermann, fortan der See nur zu vertrauen und an nichts als Küch und Keller zu denken, weil wir für itzt dem Strom gehorchen und um den Wirbel lenßen müßten, wenn wir das Königreich der Quinta wohlbehalten erreichen wollten.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 276-279.
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