Drey und Dreyssigstes Kapitel.

[326] Wie wir im Hafen der Lychnobier landeten, und nach Laternien kamen.


Bald liefen wir im Hafen von Laternien ein. Pantagruel erkannt da auf einem hohen Thurn die Rocheller Latern, die brannt recht gut. Auch die Latern von Nauplien, von Pharos, und der Athenischen Akropolis bemerkten wir, die der Minerva geheiligt war. Beym Hafen ist ein kleines Dorf, da wohnen die Lychnobier, ein Volk das von Laternen lebt, so wie bey uns die Nollenbrüder von den Nonnen; recht brave aufmerksame Leut. Demosthenes hat da vor Zeiten genug laternt. Es führten uns drey Obeliskolychnien von dort bis in das Schloß; dieß sind Milizen von der Hafenwacht mit hohen Mützen auf Albanisch' denen wir unsrer Reise Zweck und Absicht meldeten, die war: von der Laternen-Königinn uns ein Laternlein zu erbitten, das uns auf unsrer Reise zum Orakel der Boutelge führen[326] und leuchten möchte. Was sie uns auch gern versprachen und bemerkten, daß wir zur allerbesten Zeit und Stund kämen, und die Auswahl unter den Laternen hätten, weil sie ihr Provinzial-Kapitel just hielten. Bey unsrer Ankunft im Schloß wurden wir durch zwey Ehren-Laternen (es waren die Laternen des Kleanth und Aristophanes) der Königinn präsentirt, der Panurg in der Laternensprach kurz die Beweggründ unsrer Reis eröffnete. Und waren von ihr sehr gern gesehn, sogleich zum Abendbrod bey ihr befehligt, da wir dann die Wahl derjenigen die wir zur Führung begehrten, am besten würden treffen können. Welches uns höchlich wohl gefiel. Und säumten nicht auf alles scharf zu merken und uns einzuprägen, Schick und Blick, Gebährden, Tracht, als auch die Ordnung der Traktament. Die Königinn war in Jungfernkrystall von damaszirter Marqueteri, mit grossen Demanten besetzt, bekleidet. Die Laternen vom Geblüt, etliche in Demanten-Fluß, andre in phengitische Stein, die übrigen in Horn, Papier, gewichsten Tafft: die Stöck deßgleichen nach ihrer Häuser Alterthum und Rang. Nur eine sah ich drunter von schlechtem Töpferzeug, und stand in Einer Reih mit den prächtigsten; darob ich sehr erstaunt vernahm, daß es des Epiktets Latern wär, die man einst nicht für dreytausend Drachmen hätt lassen wollen. Ich besah mir auch Montur und Mienen der Laterna Polymyxos des Martialis; noch genauer der Ikosimyxos weiland von Kanopen, der Tochter Tisiä gestiftet. Wohl erkannt ich auch die Hanglatern die aus des Palatinischen Apollo Tempel in Theben einst geraubt, hernach durch den Weltzwinger Alexander gen Cyme in Aeolien entführet worden. Eine andre ansehnliche bemerkt ich, (denn sie trug ein schönes karmesinrothseidnes Büschlein auf dem Haupt) und ward bericht, dieß wär Bartolus die Rechtslatern.[327] Deßgleichen noch zwey andre, kenntlich an ihren Klystierbeuteln so sie im Gürtel trugen; und ward bericht es wären dieß die beyden Apothekerlichter, das Groß' und Kleine. Als die Zeit zum speissen kam, setzt' sich die Königinn vorn an, dann ihrem Rang und Würden nach, die übrigen. Zum Vorgericht servirt' man ihnen allen dicke gezogne Lichter, ausser daß die Königinn mit einer dicken, steifen, facklichen Fackel von weissem Wachs bedient ward, vorn etwas roth: auch waren die Laternen vom Geblüt bevorzugt, und die Provinziallatern von Mirebalais, der man ein Nußlicht auftrug, und die vom Untern Poitou, der ich gar ein geharnischt Licht serviren sah. Gott ist bewußt wie sie drauf noch einmal so lustig aus ihren Dillen funkelten; ausser ein Häuflein junger Laternen unterm Scepter einer dicken, die nicht so hell wie die andern brannten, denn ihre Farben schienen mir ein wenig hurenhaft. Nach Tafel begaben wir uns bald zur Ruh. Am Morgen ließ uns die Königinn eine der stattlichsten Laternen zur Führerin wählen: dann fuhren wir weiter.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 326-328.
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