Grete liebt Hansen.

[145] Hans,


Je nun, nun! Kann ich Dich doch wohl nehmen, wenn ich Dir gut genug bin. Wir wollen beten und arbeiten, und es wird schon gehen. Für die Kinder ist mir nicht leid, armer Leute Kinder brauchen nicht viel. Ich kriege von meiner Mutter noch zwanzig Gulden raus und ein Ehrenkleid. Sonst habe ich nichts. Ein neues rotes Mieder habe ich noch mit weißen Knöpfen und einen gehenkelten Thaler. Wir wollen einander in Gottes Namen mehmen. Brot wollen wir wohl verdienen. Ich scheue die Arbeit nicht. Geh mir doch mit Deinem Christel! Ich habe seit dem Pfingstbiere nicht mit ihm geredt. Du schierst mich nur. Sage ich Dir doch auch nichts von der großen Hofmagd. Du kannst mit meiner Mutter reden. Ich muß auf die Fröne. Rede nur mit der Mutter!


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Es giebt gewisse Vorurteile, welche durch die Zeit und Gewohnheit dergestalt gerechtfertigt worden sind, daß es eine Notwendigkeit ist, sich ihnen zu unterwerfen, und daß man von denselben nicht abgehen kann, ohne sich den Urteilen der Welt und vielen daraus erwachsenden Verdrießlichkeiten bloßzustellen. Diese privilegierten Vorurteile äußern sich nirgends stärker als bei den Ehen, wenn eine von den beiden Personen sich unter ihrem Stand verheiratet. Diese Ungleichheit des Standes ist sehr schwer zu bestimmen, da gemeiniglich ein jeder glaubt, er sei besser als sein Nachbar. Ein reicher[145] Bauer, der die Tochter eines armen Tagelöhners freit, wird das ganze Dorf und alle Patriziersöhne wider sich aufbringen. Die Bürger machen unter sich eine unendliche Abteilung der Grade ihres Standes und sind ganz trostlos, wenn einer von ihnen diese willkürliche Rangordnung übertritt. Bei niemand fällt es mehr in die Augen als bei dem Adel. Und dieser hat meines Erachtens auch noch das meiste Recht, wider solche ungleiche Heiraten zu eifern, da mit dem Adel verschiedene wesentliche Vorzüge verbunden sind, welche durch dergleichen Verbindungen entweder ganz wegfallen, oder doch Verwirrungen machen müssen, wenn man sich derselben ferner anmaßen will.

Die Exempel sind so gar häufig nicht, daß ein reicher Bürger sich mit einem armen Mädchen verbindet. Es ist nicht zu leugnen, daß dergleichen Ehen oft auf beiden Teilen vergnügt und glücklich ausschlagen. Und dennoch glaube ich, daß beide Teile viel dabei wagen. Sind die zärtlichen Monate des Ehestandes vorbei, so kann es leicht geschehen, daß den Mann eine Wahl gereut, durch welche seine Reichtümer nicht vermehrt worden sind. Seine Frau aber muß sehr vernünftig und billig sein, wenn ihr nicht von Zeit zu Zeit der Rang ihrer Vorfahren und der demütigende Gedanke einfallen soll, daß die Vorwürfe ihrer Verwandten gegründet sind. Ich will Gelegenheit nehmen, dieses in nachfolgenden zwei Briefen weiter auszuführen.

Quelle:
Rabeners Werke. Halle a.d.S. [1888], S. 145-146.
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