Vierter Auftritt.

[628] Phädra. Theseus.


PHÄDRA.

Ich komm, o Herr, von Schrecken hergetrieben,

Die Stimme deines Zorns drang in mein Ohr;

Der Drohung, fürcht ich, folgte rasch die Tat.

O wenns noch Zeit ist, schone deines Bluts!

Ich fleh dich drum – Erspare mir den Greuel,

Daß es um Rache schreie wider mich.

O gib mich nicht dem ewgen Schmerz zum Raub,

Daß ich den Sohn durch Vaters Hand gemordet!

THESEUS.

Nein, Phädra, meine Hand befleckte sich

Mit meinem Blute nicht! Dennoch ist mir

Der Frevler nicht entwischt. Mit seiner Rache

Wird eine Götterhand beschäftigt sein.[628]

Neptun ist mir sie schuldig. Sei gewiß,

Du wirst gerächt!

PHÄDRA.

Neptun ist sie dir schuldig!

Was? hättest du den Gott in deinem Zorn –

THESEUS.

Wie? Fürchtest du, daß mich der Gott erhöre?

O teile vielmehr mein gerechtes Flehn,

In aller Schwärze zeig mir seine Schuld,

Erhitze meinen allzuträgen Zorn.

Du kennest seine Frevel noch nicht alle.

Der Wütende, er wagts noch, dich zu schmähn,

Dein Mund sei voll Betrugs. Aricia habe

Sein Herz und seine Treu. Er liebe sie.

PHÄDRA.

Was?

THESEUS.

Er behauptets mir ins Angesicht!

Doch solchen Kunstgriff weiß ich zu verachten.

Schaff uns, Neptun, nur schnell Gerechtigkeit!

Ich gehe selbst, in seinem Tempel ihn

An sein unsterblich Götterwort zu mahnen.


Er geht ab.


Quelle:
Schiller, Friedrich: Phädra. Trauerspiel von Racine, in: Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Dritter Band: Übersetzungen, München 1960, S. 587–645, S. 628-629.
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