Siebenter Auftritt

[200] Der Haß. Vorige.


HASS. Was geht hier vor? Zurück von ihm, oder ich vernichte dich! Kennst du den Haß?


Schlägt auf seine Brust.


ZUFRIEDENHEIT fest. Nein! denn ich bin die Zufriedenheit.

HASS erschrickt. Pardon, Mademoiselle! Je suis désarmé.


Alle ihm Angehörigen ziehen sich demütig zurück.


ZUFRIEDENHEIT. Karl! du siehst unsere Macht, zum letztenmal ruf ich dir zu: Wirf den Ring von dir, oder du siehst sie nie wieder – du zauderst? Wohlan, lebe wohl!


Sie steht mit Lottchen auf der Seitenversenkung. Aus dieser erhebt sich eine schmale Wolke und geht mit ihnen ungefähr vier Schuh hoch in die Höhe, so daß Lottchen ohnmächtig kniet und die Zufriedenheit sie in den Armen hält. Wenn die Wolke zwei Schuh hoch aus der Versenkung sich erhoben hat, springen zwei Nebenwolken oder Nebenteile hervor, so daß die Wolke eine breitere Form erhält und das Ganze ein

Tableau bildet.


KARL heftig. Halt ein – Und wenn die Welt am Finger glänzte, ohne sie gilt sie mir nichts! Fort mit ihm!


Er wirft den Ring weg. Blitzstrahl. Die Furien entfliehn.


HASS. Verwünschtes Weibervolk! Versinkt.


Verwandlung in die Gegend der Fischerhütte.

Karls Kleid fällt ab, er steht als Fischer da. Wurzel sitzt auf dem Dach der Fischerhütte, in welche sich der Rosenhügel verwandelt. Wenn Lottchen und die Zufriedenheit herab sind, verschwindet die Wolke.


LOTTCHEN erwacht. Karl, ich danke dir!

KARL. Lottchen, du bist mein!

WURZEL der eingeschlafen war und durch den Donner erwachte, ruft. Ein Aschen![200]

KARL UND LOTTCHEN sehen sich um. Wer ist das?

ZUFRIEDENHEIT. Der bestrafte Fortunatus.

WURZEL. Ich segne euch!

ZUFRIEDENHEIT. Und Hymen soll euch verbinden.


Winkt.


HYMEN kommt aus der Versenkung mit einem kleinen Opferaltar, tritt in ihre Mitte und spricht. Auf ewig!

WURZEL. Ein Aschen!

BUSTORIUS. Feuer!


Er schießt los. Donnerschlag. Alle Geister der Introduktion kommen auf Seitenwolken und Versenkungen schnell herbei. Lakrimosa sinkt in einem Wolkenwagen nieder, über dem ein Genius schwebt mit der Schrift: Erlösung!.


LAKRIMOSA. Dank euch, meine Lieben, ich bin glücklich!

BUSTORIUS. Ist gern geschehen! Schaffen Sie ein anders Mal wieder.

ZUFRIEDENHEIT. Dies ist deine Mutter.


Lottchen sinkt zu ihren Füßen.


LAKRIMOSA hebt sie auf. An mein Herz!

WURZEL. Ein Aschen!

LAKRIMOSA sieht ihn an. Du hast gebüßt. Sei, was du stets hättest bleiben sollen. Winkt.

WURZEL verwandelt sich auf dem Dach in einen Bauer, springt herab. Alloh! Jetzt bin ich wieder in mein Element! Mein Schönheit war im Versatzamt, jetzt haben s' mir s' ausglöst.


Ajaxerle, mit ihm der kleine Satyr mit der schwarzen Tafel, worauf Wurzels Schwur steht. Ajaxerle nimmt ihm dieselbe aus der Hand und hält sie Wurzel vor.


AJAXERLE. Der Schneckenhändler ist da, was du geschworen hast, ist geschehen. Jetzt sind wir wieder gute Freund. Punktum!


Löscht den Schwur von der Tafel.


LAKRIMOSA. Brillanten darf ich dir nicht zum Brautschatz geben. Aber das schönste Fischergut mit ewig reichem Fang sei dein. Winkt.


Verwandlung in eine romantische Fischergegend an einem reizenden See.

In der Ferne blaues Gebirge.

Genien, als Fischer gekleidet, schiffen auf einem Kahn, werfen Netze aus und formieren ein Tableau.[201]


LAKRIMOSA. Stets bleibt euch die Liebe eurer Mutter.

ZUFRIEDENHEIT. Und die Freundschaft der Zufriedenheit.

WURZEL. Sein Sie die Zufriedenheit? Da lassen wir Ihnen heut nicht mehr aus.

ZUFRIEDENHEIT. Dies sei mein Brautgeschenk.


Sie winkt, ein kleiner Wasserfall entsteht, worüber sich die Worte befinden: Quelle der Vergessenheit des Üblen. Ein Genius sitzt an der Quelle und reicht allen Becher.


WURZEL. Da trinken wir gleich jetzt auf Ihre Gesundheit den zufriedensten Rausch.


Schlußgesang.


Vergessen ist schön, und es ist gar nicht schwer,

Denn was man vergißt, von dem weiß man nichts mehr.

Und wer uns ein Geld leiht, den führt man schön an,

Man laßt ihn nur trinken, er weiß nichts davon.

CHOR.

Und wer uns ein Geld leiht, den führt man schön an,

Man laßt ihn nur trinken, er weiß nichts davon.

WURZEL.

Vergessenheit trinket dem Haß und dem Neid, Damit uns das Leben bloß liebend erfreut.

Doch bringt man den Gönnern der Dankbarkeit Zoll,

Da senkt man den Becher, das Herz ist nur voll.

CHOR.

Doch bringt man den Gönnern der Dankbarkeit Zoll,

Da senkt man die Becher, das Herz ist nur voll.


Alle senken ihre Becher.


WURZEL.

Hier ist der Zufriedenheit herrlichste Perl,

Ich hab s' bei der Falten, ich glücklicher Kerl.

Doch kommts mir allein nicht zu, glücklich zu sein,

Wir nehmen s' in d' Mitten und schließen sie ein.


Er stellt die Zufriedenheit in die Mitte. Auf beiden Seiten schließt sich alles an sie an, umschlingt sich und bildet einen Halbzirkel.


CHOR.

Doch kömmts ihm allein nicht zu, glücklich zu sein,

Wir nehmen s' in d' Mitten und schließen sie ein.[202]

WURZEL.

Sie dürfen auf keinen Fall mehr von dem Ort,

Man läßt die Zufriedenheit nicht so leicht fort!

Und eine Gnad bitt ich mir heute noch aus:

Begleiten S' voll Achtung das Publikum z' Haus!

CHOR.

Und eine Gnad bitt er sich heute noch aus:

Begleiten S' voll Achtung das Publikum z' Haus!


Repetition.


WURZEL.

Wir lebn doch wahrhaftig in herrlichen Zeiten,

Jetzt kommt die Zufriedenheit von allen Seiten.

Hier steht noch die unsre, sie ist uns noch treu,


An das Publikum.


Und Sie schenkn uns Ihre, jetzt habn wir gar zwei.

CHOR.

Hier steht noch die unsre, sie ist uns noch treu,

Und Sie schenkn uns Ihre, jetzt habn wir gar zwei.

WURZEL.

Erlaubn S' nur, daß beide jetzt Hand in Hand gehn,

Denn unsre kann ja nur durch Ihre bestehn.

Und dies Kapital ist ein ewiger Kauf,

Denn Sie sind zu gütig, Sie kündens nie auf.

CHOR.

Und dies Kapital ist ein ewiger Kauf,

Denn Sie sind zu gütig, Sie kündens nie auf.


Ende.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 200-203.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär
Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär (Komedia)
Raimundalmanach / Der Bauer als Millionär: Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.

38 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon