Dreizehnter Auftritt


[229] Vorige. Vipria und Arrogantia, erstere mit Pfeil, letztere mit Bogen und Pfeil bewaffnet.


VIPRIA der Phantasie in den Weg tretend. Halt an! Qui vive?

PHANTASIE. Bonne amie, die Phantasie.

VIPRIA. Nichts passiert, gib dich gefangen, bunter Rabe!

PHANTASIE. Doch nicht so leicht. Entreißt ihr den Pfeil und verwundet sie.

VIPRIA. Verdammte Schlange! Hält sich den Arm.

PHANTASIE eilt auf einen kleinen Hügel und macht Miene zum Auffliegen. Du Hexe, denk an mich.

ARROGANTIA hat den Bogen gespannt und schießt die Phantasie in eine Achsel, an der der Flügel verwundet wird. Und du an mich!

PHANTASIE sinkt. Weh mir! Das traf!

ARROGANTIA schadenfroh. Jetzt kennst du mein Geschoß!

VIPRIA. Fort mit ihr.


Beide fesseln sie.


PHANTASIE. O unglückselges Los!

VIPRIA. Sperr in den Käfig sie. Ich such ihr einen Dichter auf.


Arrogantia zieht die Phantasie an den Fesseln fort.


PHANTASIE. Apollo!

ARROGANTIA. Folge mir!


Arrogantia mit der Phantasie ab.


VIPRIA allein. Umhülle mich jetzt, magische Finsternis. Schwarze Wolken fallen ein, die in der Mitte einen Stern bilden. Es wird Nacht. Jetzt, Zauberstern, entehre deinen Glanz und strahl Gemeinheit ab und Häßlichkeit, wie sie mein rachetrunkner Sinn begehrt. Der Stern öffnet sich, man sieht das farbige Transparentbild des Harfenisten, mit seiner Harfe sitzend, an der Wand. Hahaha, willkommen, Fratzengesicht, dich ernenne ich zu ihrem Gemahl. Ein Wagen mit sechs Raben bespannt, statt den Laternen zwei Fackeln, erscheint. Durch die Lüfte fort, damit ich es schnell entführe, dies Werk einer hypochondrischen Stunde der Natur. Fliegt ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 229-230.
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Die gefesselte Phantasie
Die gefesselte Phantasie. Original- Zauberspiel in zwei Aufzügen.
Raimundalmanach / Die gefesselte Phantasie