Elfter Auftritt


[294] Verwandlung.

Indische Gegend.

Seitwärts Hoanghus Zelt, zwischen Palmen aufgehangen, er ruht darinnen. Der Wolkenthron, auf welchem der Tugendgenius steht, verwandelt sich in einen hohen Fels.


GENIUS auf dem Fels.

Unter jenem Palmgezelt

Ruhet Indiens edler Held.

Traumgott, du magst niedersteigen

Und Alzindens Los ihm zeigen.


Musik. Wolken sinken, es wird Nacht.

Der Traumgott tritt in Hoanghus Gezelt, beugt sich über sein Haupt und, indem er seine Stirne mit der einen Hand berührt, zeigt er mit der andern auf die Hinterwand und bleibt in dieser Stellung, bis der Traum vorüber ist. Die Wolkendecke löst sich, und man sieht in einer hellbeleuchteten Gegend am Meere auf einem mit Blumen besäeten Hügel Alzinden, mit einem Siegeskranz, in der Hand, ihren Gemahl freudig erwarten. Siegesmarsch erschallt. Eine Gestalt, wie die Hoanghus, von Kriegern begleitet, landet auf einem Schiffe, springt freudig

ans Land, eilt auf Alzinden los und streckt die Arme aus. Plötzlich verwandelt sich der Hügel in einen schroffen Fels, auf dem Alzinde in der Gestalt des alten Weibes sitzt und ihre dürren Arme nach Hoanghu streckt, welcher entsetzt zurückschaudert. Eine Riesengestalt Moisasurs grinzt mit hohnlächelndem schadenfrohem Antlitz, mit halbem Leibe aus den Wolken[294] herab auf die Gruppe. Diese Erscheinung ist gemalt und optisch beleuchtet. Die indische Gegend sinkt wieder ein. Die Musik endet leidenschaftlich. Der Traumgott verschwindet. Hoanghu springt erschrocken vom Lager auf. Es wird Tag.


HOANGHU. Fort von mir, verruchter Traum, der seine Schreckensbilder auch noch dem Erwachten zeigt! willst Hoanghu du ermorden? was klammerst du dich so an meine Phantasie? laß los! Reißt erzürnt das Schwert aus der Scheide und haut in die Luft. Du freche Truggestalt! Träume sendet uns die Sonne, darum glaub ich ihrem Wink. Götter, sendet mir ein Zeichen, ob euch dieser Traum gehört oder ob die giftge Spinne Moisasur ihn gewebt? Doch was brauch ich hier zu fragen in dem antwortslosen Wald, ich will meine Fragen stellen an die Überzeugung selbst. Es donnert. Ha, des Donners Warnungsstimme spricht, der Schreckenstraum ist wahr. Auf, ihr Krieger, reißt die Zelten nieder! Kündigt den Gehorsam auf dem Schlaf!


Alarm. Alles greift erschrocken zu den Waffen.

Krieger und Häuptlinge erscheinen auf der Bühne.


EIN HÄUPTLING. Was befiehlst du, großer König?

HOANGHU. Ordne schnell dein ganzes Heer! Siehst du meines Reiches Grenze? Deutet in die Szene. Nach der Hauptstadt ziehen wir, denn ein Traum hat mir verkündet, meiner Gattin droht Gefahr. Schnell, wie ihr den Feind verfolget, so verfolget jetzt die Zeit. Eure Waffe ist die Eile, haut damit den Tag in Stücke, metzelt Stunden zu Minuten, daß in wenigen Sekunden ihr Alzindens Antlitz schaut. Darum zeigte uns der Morgen rotgeweinte Augenlider, netzt' die Erd mit blutgem Tau, seine Tränen flossen um mein Weib. Brechet auf, und welcher Bote mir den Flug des Pfeils beschämt, wer am Tore meiner Hauptstadt mit der Nachricht von Alzindens Leben freudig mir entgegeneilt, dem laß einen Turm ich bauen in des Reiches schönstem Teil, und was von seinen goldnen Zinnen überschaut sein gierig Auge, schenk ich ihm als Eigentum.


Alles ab.

Genius der Tugend tritt mit zarter Freude vor.[295]


GENIUS.

Oh, könnten doch alle die lieblichen Frauen

Dies seltene Beispiel von Männertreu schauen,

So würde in aller Brust ein Wunsch nur sein:

Ach, könnt ich doch auch einen Hoanghu frein!


Und könnten die Männer, die nicht so gewesen,

In Hoanghus Busen den Lohn dafür lesen

So würd aus dem flatternden Männerverein

Die Tugend sich manches Bekehrten erfreun.


Ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 294-296.
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