Neunzehnter Auftritt


[368] Habakuk, Lischen.


HABAKUK. Nein, was einem in unserm Haus für Erscheinungen begegnen, das geht in das Entsetzliche hinüber.


Stellt sich vor Lischen.


LISCHEN. Nu was gibts, Monsieur? Was sieht Er mich so an?

HABAKUK gezogen. Sie hat mich auf das Schaffot bringen wollen, darum hab ich Ihr in dieser Welt nichts mehr zu sagen, als –

LISCHEN. Daß Er zwei Jahre in Paris gewesen ist, Er abgeschmackter Mensch?

HABAKUK. Oui, Mademoiselle, und dieses Bewußtsein gibt mir die Kraft, Ihre Gemeinheit zu verachten.


Geht pathetisch ab.


LISCHEN allein. Und ich werde mich in des gnädgen Herrn Zimmer verfügen und mich in den zerbrochenen Spiegel[368] schauen, ob ich meine ganze Schönheit noch besitze. Dann werde ich die zerrissenene Liebesbriefe zusammenkehren und diese mit Füßen getretenen Empfindungen ganz langsam in den Kamin hineinschaufeln. So sind die Männer, ihre Liebesschwüre sind lauter Wechsel an die Ewigkeit, in diesem Leben zahlt sie keiner aus. Wenn ich wieder auf die Welt komme, so werd ich ein Mann und will gar keine von meinen jetzigen Eigenschaften behalten als die Eroberungskunst.


Ariette.


Ach, wenn ich nur kein Mädchen wär,

Das ist doch recht fatal,

So ging' ich gleich zum Militär

Und würde General.

Oh, ich wär gar ein tapfrer Mann,

Bedeckte mich mit Ruhm!

Doch ging' die Kanonade an,

So machte ich rechtsum.

Nur wo ich schöne Augen säh,

Da schöß ich gleich drauf hin.

Dann trieb 'ich vorwärt die Armee

Mit wahrem Heldensinn.

Da flögen Blicke hin und her,

So feurig wie Granaten.

Ich sprengte vor der Fronte her,

Ermutigt die Soldaten.

Ihr Krieger, schrie' ich, gebt nicht nach!

Zum Sieg sind wir geboren,

Wird nur der linke Flügel schwach,


Aufs Herz zeigend.


So ist der Feind verloren.

So würde durch Beharrlichkeit

Am End der Preis errungen

Und Hymens Fahn in kurzer Zeit

Von Amors Hand geschwungen.[369]

Dann zög ich ein mit Sang und Spiel,

Die Mannschaft paradierte.

Wär auch der Lorbeer nicht mein Ziel,

So schmückte mich die Myrte.

So nützte ich der Kriegskunst Gab,

Eroberte – ein Täubchen.

Dann dankt ich die Armee schnell ab

Und blieb' bei meinem Weibchen.


Ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 368-370.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Alpenkönig und der Menschenfeind
Der Alpenkönig und der Menschenfeind
Raimundalmanach / Der Alpenkönig und der Menschenfeind

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Inferno

Inferno

Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

146 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon