Zweiter Auftritt


[381] Verwandlung.

Wilde Felsengegend. Im Hintergrunde ein hoher praktikabler Fels, welcher von der rechten Kulisse über zwei Dritteil der Bühne bis ohngefähr zwei Schuh weit von der linken sich erstreckt und in einem steilen Abhang endigt. Auf ihm ist eine gedeckte Reisekalesche mit zwei Schimmeln sichtbar. Die Pferde stehen schon ganz an dem Abhange des Felsens. Auf dem Sattelpferde sitzt der Alpengeist Linarius, als Postillon gekleidet. Im Wagen Herr von Silberkern, so gekleidet wie Herr von Rappelkopf zu Anfange des zweiten Aktes. Er droht mit einem Stock dem Postillon und schreit heftig.


SILBERKERN. Halt! Halt! Was treibt Er denn, Er verwünschter Kerl, ich bin ja des Todes, wo führt Er mich denn hin?

LINARIUS. Geduld, mein Herr, wir werden gleich am Ziele sein.

SILBERKERN. Das ist ja keine Möglichkeit, der Kerl ist besoffen wie eine Kanone, er muß glauben, da unten ist ein Weinkeller. Ich massakrier Ihn, Er verflixter Lumpenhund. Was treibt Er denn mit Seinen gottverdammten Schimmeln?

LINARIUS. Ich habe meine Pferde ausgespannt.

SILBERKERN. Untersteh Er sich, Er infamer Mensch! wir stürzen ja hinab.

LINARIUS. Wer wird denn da viel Sprünge machen? das Trinkgeld ist mir ein für allemal zu schlecht. Adieu, mein Herr!

SILBERKERN. Wo will Er denn hin?

LINARIUS. Ich reite durch die Luft – Die Pferde bekommen Flügel. Linarius erhebt sich mit ihnen bis in die halbe Höhe des Theaters. Der Wagen bleibt stehen, zugleich fällt der hintere Teil des Felsens herab, und nur das Stück, worauf die Kutsche ist, bleibt stehen. Du bleibst zurück auf diesem Fels und genießest hier die Luft. Zur rechten Zeit spann ich die Pferde wieder vor. Dann bitt ich mir ein tüchtig Trinkgeld aus. Bis dahin lebe wohl und unterhalt dich gut. Juhe! Zum Alpenkönig heißt das Postbaus hier. Ihr Schimmel, hi! stoßt euch an keinen Stein! Lebt wohl, Herr Passagier, und bleibt mir fein gesund! Fliegt fort und blast das Posthorn dabei.[381]

SILBERKERN. Verdammter Hexenspuck! Der Kerl fliegt herum wie eine Fledermaus. Flieg zum Geier, falscher Rabe! Ich brauche deine Pferde nicht. Er will heraussteigen. I potz Hagel, was ist das? Ich kann ja nicht heraus. Der Wagen hängt ja in der Luft. Das ist ja aufs Verhungern abgesehen. Verflixter Kerl, komm zurück! Es rührt sich nichts, ich sehe keinen Menschen, nicht einmal Ochsen weiden hier. Ich bin der einzge in der ganzen Gegend. Schreit. Hört mich denn niemand?

ECHO. Niemand – Entfernter. Niemand – Niemand – Nieman –

SILBERKERN stampft mit dem Fuße. Ich ersticke noch vor Zorn –


Der Fels, auf dem der Wagen steht, öffnet sich wie eine Höhle und in ihr sind eine Menge kleine Alpengeister aufeinanderkauernd gruppiert, welche mit schadenfroher Miene aus vollem Halse lachen. Auch aus den Gebüschen welche um den Fels angebracht sind, sehen einige schelmisch hervor.


ALPENGEISTER. Hahahahaha!

SILBERKERN schnell, räsonierend, mit dem Stock herumfechtend. O du Geistergesindel, du unsichtbares Lumpengepack, komm herauf zu mir, ich schlag dich tot. Das ist eine verflixte Geschichte.


Neues Lachen und schnelles Vorfallen der Kurtine, welche ein Zimmer in Rappelkopfs Hause vorstellt.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 381-382.
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