Tafellied für Brüder Freymaurer

[127] Lemberg im Brachmond 1783.


Legt für heut den Werkzeug nieder!

Lasst die blanken Kellen ruhn!

Denn der Hammer ruft, ihr Brüder,

Euch zum frohen Mahle nun.

Sehet! manche süsse Gabe,

Die den Körper neu erfrischt,

Hat aus ihrer reichen Habe

Mutter Erd' uns aufgetischt.


Doch Genügsamkeit umschwebe

Ewig unsern stillen Kreis:

An des Prassers Tafel klebe

Unterjochter Armen Schweiss,[128]

Heilig sey der Alten Sitte,

Als man noch genüglich ass,

Und der Vater froh in Mitte

Seiner trauten Kinder sass.


Wenn es unserm Brudermahle

Nur an Liebe nicht gebricht,

O so reitzt im goldnen Saale

Uns der Prunk der Fürsten nicht.

Eintracht sey des Maurers Streben,

Liebe sey sein schönstes Gut!

Ohne Liebe gleicht das Leben

Einem Körper ohne Blut.

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 127-129.
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