Dithyrambe auf die Einweihung einer neuerbauten Weinschenke

[134] Wien im Jäner 1784.


Auf, Brüder, kränzt mit Epheu die Perücken

Und das Toppee,

Und jauchzt, Bachanten gleich, mit trunkenem Entzücken:

O Evan Evoe!


Tischt Gläser auf wie Mörser und Karthaunen

Für jedermann,

Und kündigt allen Hühnern, Enten und Kapaunen

Das Todesurtheil an!


Und ihr, Amphions kunsterfahrne Schüler,

Die ihr von Haus

Zu Hause klimpernd zieht, zerlumpte Lautenspieler,

Verherrlicht unsern Schmaus!
[135]

Denn heute weihen wir dem Gott der Reben

Diess Heiligthum:

Schon funkeln hundert goldne Lampen. Seht, sie schweben

Von Hand zu Hand herum.


Komm, Vater Bachus! eine Nektartonne

Sey dein Altar:

Entzückt bringt unser Schwarm im Taumel seiner Wonne

Dir täglich Opfer dar.


Zum Hohenpriester sey der Wirth erkoren;

Sein Domherrnbauch

Ist stadtberüchtigt: Kupfernas' und lange Ohren

Gab die Natur ihm auch.


Ja selbst als Wunderthäter ist er, Brüder!

Uns schon bewährt;

Hat er nicht oft genug uns Birnenmost und Cider

In reinen Wein verkehrt?
[136]

Wenn du nicht noch vom letzten Göttermahle

Halbtaumelnd bist,

So sieh, Gott Liber! wie aus schäumendem Pokale

Der Opferwein hier fliesst.


Gieb, wie dem König Midas, unsern Renten

Ein gut Gedeihn,

So wollen wir mit Lust von unserm Gut den Zehnten

Stäts diesem Tempel weihn.


Wir wollen ihn zum Wallfahrtsorte wählen:

Nie sey er leer,

Und jeder Murrkopf, den Verdruss und Kummer quälen,

Verlobe sich hieher!

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 134-137.
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