Danklied einer armen Wittwe

an Seine Excellenz den oberensischen Herrn Regierungspräsidenten (seitherigen böhmischen obersten Burggrafen) Grafen von Rottenhan

[313] Linz im Jäner 1789.


Als jüngst in seinem Grimme sich

Der Eismond nahte, fühlt' ich mich

Vom Fieber übermannt,

Und ach! bis auf das letzte Reis

War all mein Holz, das ich durch Schweiss

Und Flehn erwarb, verbrannt.


Mit siechem Körper lag ich da

Auf halbvermorschtem Stroh, und sah

Mit wehmuthsvollem Sinn,

Vergessen, hilflos, ohne Trost,

Auf meine Kinder, die vor Frost

Und Hunger heulten, hin.
[314]

So manchen sah mein banger Blick

Vorübereilen, dem das Glück

Mehr, als erbrauchte, gab.

Doch niemand, niemand dachte mein:

Verlassen war mein Kämmerlein,

Wie eines Fremdlings Grab.


Wie fühllos, rief ich ächzend aus,

Fährt oft der Glückssohn hin zum Schmaus!

Ach! mit dem halben Werth

Des Gastgebotes hätten wir,

Ich und die armen Kleinen hier,

Uns mondenlang genährt.


Hart ist das Loos der Dürftigkeit:

Doch Glück und Unglück, Freud' und Leid

Sind Gottes Fügung bloss.

Geduldig ehr' ich sein Gebot:

Nur die Gespielen meiner Noth ...

Ach! wär' ich kinderlos!
[315]

So seufzt' ich trostlos, und schon war

Das Blut der kleinen nackten Schaar,

Die zitternd mich umkroch,

Und Wärme suchte, halb erstarrt,

Und, Gott im Himmel! immer ward

Die Kälte strenger noch.


Doch nun erbarmte meines Flehns

Der Vorsicht Huld sich: unversehns

Erschien ein Retter, sprach

Mir Tröstung zu, und sieh! es schwand,

Verscheucht von seiner milden Hand,

Des Mangels Ungemach.


Dem frommen Tugendfreunde gleich,

Dem plötzlich aus dem Geisterreich

Ein Seliger erscheint,

Blickt' ich mit Thränen himmelwärts,

Und pries mit stummem Dank dein Herz,

Erhabner Menschenfreund!
[316]

Denn du, o wahrhaft edler Mann,

Der, wenn er Hilfe bieten kann,

Sich glücklich fühlet, du,

Den Rang und Herzensadel ziert,

Du sandtest, durch mein Leid gerührt,

Mir diesen Retter zu.


Der Herr, der gute Thaten lohnt,

Geb' allen Grossen unterm Mond

Ein Herz, wie deines ist!

Wie manche Zähre flösse hier

Aus wonnevoller Dankbegier,

Die nun aus Kummer fliesst!

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 313-317.
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