Scena Prima.

[44] Resatha. Ichaboth. Simeon. Gamaliel. Zacharias. Nahor. Abed.


RESATHA.

Das wir euch habn fordern lahn liebn herrn / und alten

Neben uns auff disen tag gericht zu halten

Dran man sonst kein grichts sachen zu handeln pfleget

Wolln wir euch nicht bergn / was uns dazu beweget

Dann uns gestern hat ein sölche sach angstossen

Die man nicht sol ungericht lang hangen lassen

Was es sey darauff wolt vleissig achtung geben

Wie her Ichaboth die selb euch für wird legen

ICHABOTH.

Lieben herren euch ist klar / und unverholen

Wie uns Got dürch Mosen hat mit ernst bevolen

Das wir die zubrecher yhrer ehe solln richten

Zu dem tode / und der selbn verschonn mit nichten

Einer sey / was stands er sei / jung oder alte

Edel / gwaltig / reich / lieb / oder wolgehalten

Sol man keines standt / person / noch gwalt ansehen

Sonder uber yhn das urteil lassen gehen

Bei verlüst des lebens / und götlicher hulde

Das wir nu auf uns nicht lassen sölche schulde

Sonder als gerechte richter werdn befunden

Achten wir / das wir mit recht nicht schweigen kunden

Einen ehebruch den wir beyde selber gsehen

Welchen / so wir wolten die person ansehen

Oder vom gesetze unser augen keren

Oder höher achten freundschafft / gunst / und ehre

Wolten wir in keinem weg euch offenbaren

Weil uns aber Moses gleich als zeücht bein haren

Und auff unsern nacken dringt mit Gottes gsetzen

Wollen wir gunst / ehr / und gwalt hindan ytzt setzen

Und den ubeltheter bey sehn nahmen nennen

Und darüber ytz mit euch / was recht / erkennen /

Nu yhr wisset alle wol / und habt gespüret

Wie im schein ein erbar leben hat gefüret[44]

Fraw Susann Helchie kindt / und Jochems weibe

Das man meint kein unzucht wer in yhrem leibe

Dise haben wir im ehebruch selbs befunden

Wo / und wie / das wolln wir alles machen kunde

Wenn sie selbs personlich wird für grichte stehen

Drumb so solln die knechte bald nach yhr hin gehen

So yhrs auch fur gut ansecht / drumb saget here

Was eur yeden duncket / das am besten were

SIMEON.

Eure wort die haben mich betrubet sehre

Das ich sölche klag von fraw Susannen höre

Welch ich nicht kund glaubn / wo ich nicht thet versehen

Mich zu euch / das yhr nicht thut unwarheit jenen

Weil dann yhr sölchs / wie yhr sagt / habt selbs gesehen

Kan ich eurem vorschlag auch nicht widerstehen

Sonder sage / das man sie sol lassen holen

Und darnach sie urteiln / wie uns Got bevolen

GAMALIEL.

Unerhört ist mir von fraw Susann die mähre

Dann man nie vermerckt / das sie ein sölche wehre

Sol sie dann die untugnt ytzt so habn besessen

RESATHA.

Wollet eures leids / und nicht eur wort vergessen

Glaübet mir / es wundert eben uns so sehre

Als einn andern / glaübtens auch nicht das so were

Wo wirs selber netten sichtlich nicht erfaren

Meint yhr dann das wir alhie der warheit sparen

Oder das uns wol mit sey / das wir solln richten

Einen menschen der es hett verschuld mit nichten?

GAMALIEL.

Lieben herrn / eur wort wil ich mit nichte straffen

Sonder müget meinenthalben wol verschaffen

Das sie werd eur meinung nach fur gricht gestellet

Und das urteil uber yhre that gefellet

ZACHARIAS.

Weiber list ist ungezelt sagt man gemeine[45]

Drumb so denck ich nicht das sie die sey aleine

Welche sei so rein / als hettens taubn erlesen

Und so gar kein lust nicht hab zu sölchem wesen

Oder auch nicht kund ein mal die schantz versehen

Drumb / die weil yhr sölchs von yhr habt selbs gesehen

Mügt yhr billich handeln auch mit yhr der massen

Wie yhr gsaget / und für gricht sie holen lassen

NAHOR.

Lieben herrn / ich gib es zu / das sei geschehen

Das von fraw Susannen yhr ein sölchs habt gsehen

Dann kein mensch so grecht nie ward / der nicht het fallen

Kunnen / wies dan leider teglich geht uns allen

Das man aber sie laß holen durch die knechte

Bsorg ich / dass uns ettwo nicht groß unglimpff brechte

Dann ein frawn / die sich bißher hat ghalten rechte

Auch geboren ist von tugentreichem gschlechte

Yhrer tugnt / und erbarkeit nicht lassen gniessen

Wurde manches bidermensch auff uns verdriessen.

RESATHA.

Meint yhr nicht / wir haben solches auch betrachtet

Und zuvor denn yhr / bewogen und geachtet?

Weil yhr aber neülich habt von uns gehöret

Das uns Moses durch das gsetz gestrencklich weret

Das man / kein person noch wirde sol ansehen

Solt yhr billich anders lassen euch verstehen

Uber das / wie yhre tugnt bißher geschehen

Nichts denn spiegelfechten gwest / werd yhr wol sehen

Wenn wir euch der sach nu geben volln berichte

NAHOR.

Nu wol an / so wil ichs hindern auch mit nichte

Mügt derhalben sie gefangen lassen bringen

Das wir weyter handeln uber disen dingen

RESATHA.

Hört yhr knecht / geht hin / und bringt uns her gefangen

Fraw Susannen / denn sie hat was böß begangen

So sie sich des wehren wolt / so fürts mit gwalte

Secht und last euch niemand hindern noch auffhalten[46]

ABED.

Weisen hern / wir wollen thun als trewe knechte

Was yhr uns bevelcht / wolln wir außrichten rechte


Quelle:
Paul Rebhun: Ein Geistlich Spiel von der Gotfürchtigen und keuschen Frauen Susannen. Stuttgart 1967, S. 44-47.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Cleopatra. Trauerspiel

Cleopatra. Trauerspiel

Nach Caesars Ermordung macht Cleopatra Marcus Antonius zur ihrem Geliebten um ihre Macht im Ptolemäerreichs zu erhalten. Als der jedoch die Seeschlacht bei Actium verliert und die römischen Truppen des Octavius unaufhaltsam vordrängen verleitet sie Antonius zum Selbstmord.

212 Seiten, 10.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon