[356] Herr Moritz Gimpel kamm nah Stuer,
Dor was sin Blümchen in de Waterkur,
Un seggt tau Kahlen – dunn was Kahl
Dor Dokter bi de Waterpump
Un heilt Herrn Moritz sin Gemahl
Mit Venusgürtel, natten Strump,
Mit Regenbäder un mit Duschen,
Mit käuhlen Drunk von baben bet nah unn'n;
Ok müßt schön Blümchen männig Stun'n[356]
In so'n verdammtes Sitzbad kuschen –,
Un seggt tau Kahl'n: »Herr Dokter«, seggt'e,
»In eine Notsach' bin ich hier,
In der ich wohl das Blümchen sprechen möchte:
Was noch ein Bruder is von ihr,
Der Mauses, der is tot.«
Je, seggt nu Kahl, wenn't hadd so grote Not,
Denn müßt dat sin, denn künn hei dat nich hinnern,
Hei süll de Äwerraschung äwerst minnern,
Hei süll ehr't nah un nah bibringen;
De ganze Kur künn süs mißlingen,
Denn Blümchen wir sid gistern morg'n
Tau sine Freud sihr elend word'n,
Un tau de Freud' von jedermann
Füng sei all an tau duften an.
»Das nenn'n wir 'Krisis', wir Doktoren,
Und was 'ne Krisis is, Herr Moritz Gimpel,
Das weiß in Stuer jeder Simpel.«
Na, Moritz Gimpel ward von Kahl
Herinner nödigt in den Saal,
Dor sitt sin Blümchen blaß un welk
Un stippt en Stuten in de Melk
Un fohrt tau Höcht: »Nu, Gimpelche, wos is?
Zu Haus' is wos pessiert gewiß.«
»Wos süll da gepessiert denn sain?
Pessieren? – Nu, pessieren tut's
Ja alle Tag', bald Schlimm's, bald Gut's.
Doch halt mol still! Da fällt mer ain,
Der Borsch, der Itzig Rosenstain,
Der hat gewoltsam Schläg' gekriegt.«
»Wo vor denn?« – »Nu, vor's Rathaus von's Gericht.«
»Das frag' ich ja nich, Gimpelleben!
Worüber hob'n sie ihm die viele
Grausame Prügel denn gegeben?«
»Worüber? – Über die Machile.«[357]
»Ih, Gimpel, hör mich doch mal ahn!
Ich frage jo, wos hot er denn getan,
Daß sie so grausam schlugen ihn?«
»Getan? Getan? – Au waih! hat er geschrien.«
»Ih, Moritz, hör' doch nur, ich main ...«
»Ich hob genug. Loß sain! Loß sain!
Genung vor dich, daß er se hot!
Ich hob zum Schmusen kaine Zait,
Du bist nu prächtig vorbereit't,
Verschreck dir nich: der Mauses, der is tot.«
»Der Mauses tot?« Un sackt tauhopen
Un kreg't Beswimen von't Verfiren,
Un all', de üm ehr rümmer wiren,
De krigen't Rönnen un dat Lopen.
Doch Kahle bringt dat stracks in'n Gliken,
Hei lett ehr an koll Water rüken
Un hett sei ut de Ahnmacht weckt
Un treckt Herrn Moritz ut den Hümpel.
»Herr Gimpel sind ein wahrer Simpel!
Sie hab'n sie bis zum Tod erschreckt;
So was ist nicht für kranke Ohren,
Die ganze Kur ist jetzt verloren,
So etwas kennen wir Doktoren.«
»Au waih geschrie'n! Mein Geld! Die ganze Kur!
Doch warten Sie, Herr Dokter, nur!«
Un schüwwt de annern utenanner
Un geiht an sin schön Blümchen ranner.
»Wo haißt? Wos is? Wos fällt dir ain?
Wo kannst du so verschrecklich sain?
Du wirst die ganze Kur verderben!
Der Mauses is nicht tot.
Woßu soll denn der Mauses sterben?
Und wenn er stirbt, sind wir die Erben.«
Un geiht herut. »Ich hob nich Zait;
Ich muß zu Haus' zaruck noch heut.«[358]
Sin Wagen steiht denn ok bereit,
Un as uns' leiw Herr Moritz Gimpel
Heruppe stiggt up sin Gerümpel,
Dunn stahn de Kurgäst vör de Dör,
Un't Lachen geiht nu hen un her.
Dunn kickt Herr Moritz von den Wagen
So höhnschen op de Gäst hendal
Un ward sick an de Taschen slagen
Mit sine langen, dreck'gen Knäbel.
»Geld is de Hauptsach' doch, Herr Kahl.
Un, meine Herrn, besuchen Se mich in Räbel!«
Buchempfehlung
Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.
248 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro