Schöne Fraun mit schönen Katzen

[402] Schöne Fraun und Katzen pflegen

Häufig Freundschaft, wenn sie gleich sind,

Weil sie weich sind

Und mit Grazie sich bewegen.


Weil sie leise sich verstehen,

Weil sie selber leise gehen,

Alles Plumpe oder Laute

Fliehen und als wohlgebaute

Wesen stets ein schönes Bild sind.


Unter sich sind sie Vertraute,

Sie, die sonst unzähmbar wild sind.


Fell wie Samt und Haar wie Seide.

Allverwöhnt. – Man meint, daß beide

Sich nach nichts, als danach sehnen,

Sich auf Sofas schön zu dehnen.


Schöne Fraun mit schönen Katzen,

Wem von ihnen man dann schmeichelt,

Wen von ihnen man gar streichelt,

Stets riskiert man, daß sie kratzen.


Denn sie haben meistens Mucken,

Die zuletzt uns andre jucken.

Weiß man recht, ob sie im Hellen

Echt sind oder sich verstellen?

Weiß man, wenn sie tief sich ducken,

Ob das nicht zum Sprung geschieht?

Aber abends, nachts, im Dunkeln,

Wenn dann ihre Augen funkeln,

Weiß man alles oder flieht

Vor den Funken, die sie stieben.


Doch man soll nicht Fraun, die ihre

Schönen Katzen wirklich lieben,

Menschen überhaupt, die Tiere

Lieben, dieserhalb verdammen.
[403]

Sind Verliebte auch wie Flammen,

Zu- und ineinander passend,

Alles Fremde aber hassend.


Ob sie anders oder so sind,

Ob sie männlich, feminin sind,

Ob sie traurig oder froh sind,

Aus Madrid oder Berlin sind,

Ob sie schwarz, ob gelb, ob grau, –


Auch wer weder Katz noch Frau

Schätzt, wird Katzen gern mit Frauen,

Wenn sie beide schön sind, schauen.


Doch begegnen Ringelnatzen

Häßlich alte Fraun mit Katzen,

Geht er schnell drei Schritt zurück.

Denn er sagt: Das bringt kein Glück.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 402-404.
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»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

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