[7] GHISMONDE.
Hinweg nun ihr,
In des Klosters verschlossene Räume.
Ueber unsern Häuptern, ach,
Hängt das Schwert!
EINE NONNE.
Sahst du den König schon?
Wie ist sein Antlitz?
GHISMONDE.
Nein, dieses Auge sah ihn nie, – –
Weh mir, einmal doch
Im nächtigen Traume
Erschien er mir.
Hinabgestiegen war ich
In das Dunkel der Grüfte.
Dort hatte gefastet ich,
Blutig den Leib gegeißelt,
Und erschöpft zuletzt
War an den Kreuzen ich niedergesunken.
Da war's mir, als hörte
Seinen Namen ich rufen,
Weh, da erschien er mir,
Weh, daß ich des Traums nicht vergesse![7]
Manfred!
Da sah ich hervor
Aus des Abgrunds Thor
Rosengeschmückt ihn steigen!
Und die Luft erklang
Von Lust und Gesang,
Von jauchzenden Harfen und Geigen!
Da war mir, als sollt'
Ihm minnehold
Fliegen das Herz entgegen,
Als müßte er mir
Der Krone Zier
Auf das Haupt, das glühende, legen.
Nun will das Gesicht
Aus der Seele mir nicht,
Nun muß ich es mit mir tragen!
Nicht här'nes Gewand
Erstickt nun den Brand,
Nicht blutiges Geißelschlagen.
Und flucht ihm der Mund –
In des Herzens Grund
Da hör' ich es lachen und klingen!
Halt über mich Wacht
Du himmlische Macht,
Mich will die Hölle verschlingen!
Harfenklang, – horch, in der Ferne!
Er ist's, er ist's! So hört ich's in meinem Traum!
CHOR DER NONNEN.
Wohin sollen wir entrinnen?
Er kommt auf dem Pfade,
Der zum Kloster führt![8]
GHISMONDE.
Vor jenem Heiligenbilde werft euch nieder!
NONNENCHOR.
Heil'ge Jungfrau, halte mild
Ueber unsre Häupter deinen Schild!
Buchempfehlung
Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro