Zweite Scene.

[4] Ghismonde, Nonnen, Verbannte.


FULCO, RUFFO UND BORELLO.

Ist die Straße frei?

Leuchtet mit Fackeln!

FASANELLA.

Fischer dort! – Wir sind verrathen!

GHISMONDE.

Steckt eure Schwerter ein!

Freunde sind es.

Sie kommen hierher

Das Land zu erkunden,

Nun leitet sie wieder

Sicher von dannen,

Sie fliehn vor dem Abgrundentstiegenen,

Sie fliehen vor Manfred!

CHOR DER FISCHER.

Den Segen o gieb uns

Zu diesem Werke!

GHISMONDE.

Wo ist die Hand, die segnen könnte,[4]

Da auf uns Allen

Ruhet der Fluch?

CHOR DER FISCHER.

Weh über uns!

GHISMONDE.

Herrschet nicht immer noch hier

Der Abgrundentstiegene,

Der die Kirche verfolgt,

Ihre Heiligen tödtet?

Herrschet nicht Manfred hier?

VERBANNTE UND CHOR DER FISCHER.

Weh über Manfred!

GHISMONDE.

Sitzt auf dem Thron er nicht

Rosenbekränzt?

Oder schweift nächtens umher

Wie der Heidengott Dionysos,

In seiner Hand den schäumenden

Taumelbecher der Lust,

Daß er trunken die Herzen mache?

Und seht hier Diese,

Des Landes Edle,

Sie, die da trugen

Die Fahne des Kreuzes:

Hat er sie nicht von der heimischen Erde

Mit Schaaren ungläubiger Sarazenen

Ans den Burgen der Väter vertrieben?

DIE VERBANNTEN UND CHOR DER FISCHER.

Weh über Manfred![5]

GHISMONDE.

Aber kommen wird einst

Der Tag der Vergeltung!

Und wenn er herannaht,

Männer Neapels,

Diesen hier folgt!

Was sie gebieten, durch ihren Mund

Gebietet es euch die heilige Kirche!

CHOR DER FISCHER.

Und wenn er herannaht

Der Tag der Vergeltung,

Diesen hier

Folgen wir!

Was sie gebieten, durch ihren Mund

Gebietet es uns die heilige Kirche.

DIE VERBANNTEN.

Der Morgen ist nicht weit,

Zeit ist's, hinweg zu eilen.

O herbe Qual, o Leid,

Es darf der Fuß nicht weilen!

Wann kommst du uns, ersehntes Glück?

Wann kommst du, Tag, der in der Väter Hallen

Uns siegreich führt zurück?

GHISMONDE.

Er kommt, er kommt,

Schon könnt sein Nahn ihr spüren,

Es kommt der Tag, der euch zurück wird führen!

DIE VERBANNTEN.

O bittres Leid, o herbe Schmach,

Verbannt zu gehn auf fremder Erde.[6]

GHISMONDE.

Sei nur getrost, verscheuchte Heerde,

Er kommt, er kommt, der Rache Tag!

VERBANNTE UND CHOR DER FISCHER.

Sei uns gegrüßt, der Rache Tag!


Quelle:
Carl Reinecke: König Manfred. Leipzig [o. J.], S. 4-7.
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