[43] HELENE.
Ach, wie diese milden Lüfte
Mir das kranke Haupt umfließen;
Wie der Blumen süße Düfte
Strömend sich um mich ergießen!
Und herüber aus der Ferne
Tönen frohe Schifferlieder,
Hört' ich sonst auf euch so gerne –
Stille, mein Herz,
Nimmer kehrt die Freude wieder.
PAGE.
Hoffe, hoffe!
Er kehrt dir wieder.
HELENE.
Was war es, was du gestern sangst?
Wundersam ergriff mich die Weise,
Als läg' ein süßer Trost darin –
Sing' mir das Lied.
PAGE.
So höret, Fürstin, denn, wie ich's
Von einem nord'schen Sänger hörte:[43]
Er hat vergessen sein schönes Weib,
Der junge König Harald,
Er folgt der Waldfei in den Tann,
Sie zwingt ihn mit ihrem stärksten Bann,
Sie hält ihn fest gebunden
Mit ihres Zaubers Gewalt.
Er hat vergessen sein schönes Weib,
Der junge König Harald,
Sein Weib, es sitzt in Gram und Harm –
Er liegt in der Waldfei weißem Arm,
Von Scherzen, Lachen und Küssen
Der dunkle Tann erschallt.
Er hat vergessen sein schönes Weib,
Der junge König Harald,
Und bleich wird ihrer Wangen Roth,
Mit leisen Schritten kommt der Tod,
Schon fühlt sie seinen Athem,
Wie weht er eisig und kalt!
Er liegt in der Waldfei weißem Arm,
Der junge König Harald,
Da trifft sein Ohr ein Todesschrei,
Da springt der schlimme Bann entzwei, –
Er läßt voll tiefer Reue
Den dunkeln Tannenwald.
Und vor der edlen Frauen kniet
Der junge König Harald,
Sie lächelt leis', die Liebe siegt,
Und selig auf die Seele fliegt – –
Und vor der todten Frauen kniet
Der junge König Harald.
HELENE.
Manfred! mein Gemahl![44]
Wie gerne wollt' ich sterben,
Kehrtest du wieder zu mir zurück.
Ja, es senkt der Hoffnung Strahl
In die Brust auf's Neu' sich nieder,
Und von ihrer tiefen Qual
Ist erlös't die Seele wieder.
Ach, es sah das Aug' mit Beben
Sich die Zauberfäden weben,
Drin er nun gebunden liegt!
Doch in Jammer und in Schmerz
Halte fest und hoffe, mein Herz,
Hoffe, hoffe, die Liebe siegt!
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