Das XI. capitel.

Der krebs aufzug wider die meus.


Es kamen aus der see grund her

Aufgezogen langsam und schwer,

Das sich beid frösch und meus verwundert,

Noch andre kempfer, noch viel hundert

Tausend geharnschter kriegesleut,

Die hatten ganze beinern heut,

Zusam gesetzt von schalen hart

Nach muscheln und schildkröten art,

Wie ein rhinocerot gestalt,

Wie man den hörnin Siegfried malt,

Ser stark rücken wie ein amboß,

Bewaret wider stich und gschoß,

Hals und achseln steif, dick und breit,

Von roten pöcklein glenzend weit,

Ein gteiltes heupt mit scharfen spitzen,

Die augen vorn an der brust sitzen

Und auf steblein erhoben stehen,

Das sie weit können um sich sehen,[279]

Zu jeder seit ein scharfer zan,

Wie sonst die elephanten han,

Und noch drei andern tief im magen,

Ein wolverwarte brust und kragen,

Krum hend, acht füß untn am bauch her,

Giengen all ungleich über quer,

Hinten mit bogn und vorn mit scheren,

Damit sie der feind sich erweren.

Und wenn auch gleich zur bösen stund

Ihr harnisch irgend wird verwundt,

Das er undienstlich ist zur wer,

So legn sie den ab on beschwer,

Wie ein schlang ihr haut auszeugt,

Gegn den sommer ihr kleid verneut,

Wie der vogel sein federn mauset,

Der hirsch und reh sein hörner krauset,

Wenn die alten sind abgefallen

Und die neuen sich herfür ballen;

Ja, das ich größer wunder sag,

Dergleich ich nie hört all mein tag,

Wenn ihnen beide arm und bein

Vom leib gar abgehauen sein,

Wachsen sie wider jeder zeit.

Kein tier hat diese herlichkeit,

On was des Hercules geschichten

Von dem Drachen aus Lerna dichten.

Wenn sie auch irgend im finstern gehen,

Weder sonn noch des monds licht sehen,

Haben sie lange, runde stecken,

Wie sonst hörner die würm und schnecken,

Sind vorn an der stirnen gesessen,

Damit sie ihren weg abmessen

Und gewiß merken, was sie wollen,

Das ihre hend ergreifen sollen,

Reden aber nichts sonderlich

Und greifen unerschrockn um sich,

Das sie fürcht aller menschen hand:

Werden die krebsherren genant.[280]

Ihr feldoberster war Astachs,

Schön rot als fürstlich siegelwachs,

Sein leutenant Knipperdölling,

Hat ein blauen helm wie ein fink,

Der fenrich aber hieß Rotscheer,

Wer kan nennen das ganze heer?

Das fenlein ragt weit oben aus,

Darein stand ein geschunden maus,

Zween krebs zu jeder seit dran saßen,

Die sie gleich ungebraten fraßen;

Der reim war auch unten zuletzt

Mit großen buchstaben gesetzt:

"Ins andern or das schneiden tut,

Als gölts einen alten filzhut." –

Insonderheit zog vornen an

Ihr trumschleger, ein wunderman,

Schrecklicher an geberd und gang

Denn ein kröt, eidechs, drach und schlang,

Was on ein krebsschwanz, wie ein tasch,

Wie ein spin und pulverflasch!

Schwarzbraun gepockelt mannichfalt.

Ihr mer waren auch so gestalt,

Nanten sich die Granconier,

Prangten statlich mit ihrer wer,

Warn mit Astachs ausm mer ankommen,

Ihr reis ins süß wasser genommen,

Sich zu den seekrebsen geschlagen,

Krachten herein wie die kesselwagen,

Wie der reisigen vortrab rasselt,

Wie donner und hagel herprasselt,

Und brachten den meusen ein mummenschanz,

Kniffen ihn ab hend, füß und schwanz,

Faßten sie bei der kel und brust,

Das hinten aus drang luft und wust,

Die seel auch folget mit gefar,

Weil vorn die tür versperret war.[281]

Und ob gleich die meus unverzagt

Gedachten, es muß sein gewagt,

Das ihr nicht entlaufet mit schande

Oder hie all tot liegt im sande,

Stachen und schlugen mit den weren,

Als wenn sie toll und rasend weren:

Doch wie die spieß all beugten sich,

Konten die krebs verwunden nicht,

Da kam sie ein groß schrecken an,

Das jeder sahe, wie er entran,

Obgleich noch etlich widerstunden

Den krebshelden, so gut sie kunten,

Ihnen frisch in die augen dreschten

Und ihr vielen das gsicht ausleschten,

Das ihnen die spitzige nasen

Niederhiengen wie alte fasen,

Gedachten, solten sie nichts werben,

Wolten sie doch mit eren sterben.

Wie oft der ganz verzagte man

Dem feind großen schaden getan.

Der hat geferlich zu erbeiten,

Wer mit verzweifelern soll streiten.
[282]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 279-283.
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