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[320] Ps. 90, 13.
Wie seelig lebt doch der allhier,
Der stets sich seinen Tod stellt für
Und all' sein Thun mißt nach dem Ende;
So wird die Lust in uns gedämpft,
So wird der hohe Muth bekämpft;
Dies zieht vom Gut die reichen Hände,
Und Nichts ist, das uns mehr erhält,
Als daß man immer bei sich fällt.
Wie schwer will aber dies uns ein!
Wir haben Adern und Gebein,
Die nichts mehr lieben als ihr Leben.
Ach Herr, wir sind hierzu zu schlecht,
Lehr' du uns diese Kunst doch recht,
Du nur kannst solche Klugheit geben.
Tödtst du uns in uns, liebster Gott,
So leben wir dir sonder Tod.
[320]
Wo läuft sonst unser Herz hinaus?
Wer sieht auf dein erhabnes Haus,
Weiß er sich sicher bei der Erden?
Wer sehnt sich nach der Ewigkeit,
So lang' ihm wol ist bei der Zeit,
Wo er nicht denkt, was er wird werden?
Könnt' er nur Herr sein von der Welt,
Liess' er dir gern dein Sternenzelt.
Giebst du uns aber weißlich ein,
Wie kläglich wir geboren sein
Und unverhofft zum öfftern scheiden,
Stellst du uns unsre Werke für,
Wie die verschrieben sind bei dir
Und was dafür wir sollten leiden,
Ach, wie besorget, trüb' und scheu
Wird unsrer Seele doch hierbei.
Dann nehmen wir uns recht in Acht
Und sind stets auf den Schluß bedacht,
Den wir hier endlich müssen machen,
Dann kommt uns Alles nichtig für,
Dann sind wir Pilgrims nur allhier
Und achten Nichts von unsern Sachen
Und ziehn in unser künftig Grab
Mit unsern Sinnen täglich ab.
Herr, halt' uns stets also bereit
Und lass' uns fertig sein bei Zeit,
Um, wenn du rufest, zu erscheinen;
Es sei dann langsam oder früh,
Es sei auch, wo es sei und wie,
Kein Tod hat etwas an den Deinen.
Wer eh' stirbt, eh' er sterben soll,
Derselbe stirbt allzeit wol.
Der Weg ist zwar sehr hart und streng,
Dies machet unsrer Sünden Meng';[321]
Doch weil dein Sohn für uns gestorben,
So ist der Tod kein Tod nicht mehr;
Sein Grab ist unsre Himmelsfähr',
Die uns dort liefert unverdorben.
O Tod, o ein'ges Glück der Welt,
Der lebt recht, der an dir sich hält!
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