Der getreu leb

[144] In der silberweis Hans Sachsen.


28. decemb. 1543.


1.

Plinius tut erheben

die gut natur des leben,

der alle gutheit eben

mit dankbarkeit bezalt.

In Africa vor jaren

kam her Elpis gefaren;

als sie aussteigen waren

spazieret in ein walt;

Ein großen leben er ersach.

Elpis kert um und floch;[144]

im eilet ser der lebe nach,

er stieg auf ein baum hoch,

und ein tempel Bacho, dem got,

verhieß, wan er im hülf aus not.

der leb kam gschwint geloffen,

het seinen rachen offen

und stellet all sein hoffen

auf disen herren alt;


2.

Wan in dem rachen seine

war im besteckt ein beine

von eim gewilt aleine,

das er nit eßen kunt.

Anhub der leb und neiget,

sich demütig erzeiget;

dem heren wart geschweiget

sein forcht, und zu der stunt

Stieg er herab mit künem mut.

der leb an allen graus

im seinen offnen rachen but,

do zog er im heraus

das bein, und zog darnach sein straß;

der lebe im des dankbar was,

dem ganzen schiff zu truge

all tag wilprets genuge

bis es von lande zuge,

die treu vergelten gunt.


3.

Aber Elpis ließ bauen

ein tempel man und frauen

Bacho, den tet man schauen

in der insel Samo.

Da gab er zu groß golde,

sich dankbar zeigen wolde,

die kirch man nennen solde[145]

»zum gienenden Bacho«.

Hiebei schaut, wie die dankbarkeit

ein löblich tugent sei;

so der mensch empfecht ein gutheit,

das ers vergelte frei.

wo dise tugent milt regiert,

sie beide, tier und menschen, ziert.

welch mensch aber das gute

mit bösem zalen tute,

der hat ein groben mute,

vil gröber dan bonstro.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 144-146.
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