S. Johannes mit dem jüngling

[306] Im hofton Peter Zwingers.


6. mai 1553.


1.

Eusebius beschreiben ist,

wie Johannes euangelist

kam in der frist

bei Pathmos in ein state,

Sterket darin die cristen schwach,

alda er ein jüngling ersach,

den er darnach

fleißig befelen tete

Eim bischof, das

er in fürbas

vetterlich solt verwalten;

der in zug auf,

nach dem die tauf

empfing auch von dem alten,

doch fort weng achtung auf in het,

der jung leibs wolust suchte

und sich zu böser gselschaft tet,

wurt ganz arg und verruchte,


2.

Und ein haubtman der mörder war,

mördet und raubt etliche jar,

als nun kam dar

Johannes in die state

Und wider nach dem jüngling fragt,

als im der bischof solches sagt,

weinet und klagt;

zuhant Johannes hate[307]

Alda begert

ein gsattelt pfert

und ritt hin in den walde.

der mörder hauf

fing in bald auf;

da sprach er: »weist mich balde

zu eurem haubtman!« und darnach

kam er zu der höl entlich;

balt nun der jüngling in ersach,

da floh er vor im schentlich.


3.

Johannes aber im nachrit,

schrei: »o sun, fleuch dein vatter nit,

das ist mein bit,

du ermster aller armen!

Dein sünde wil selb büßen ich,

Cristum hab ich beten für dich,

genediklich

wird er sich dein erbarmen.«

Der jung unwert

fiel auf die ert,

bekent sein sünd und schulde,

in seufzen lag

mit wein und klag.

Johannes gottes hulde

den jüngling wider leibet ein,

der sich wol hielt aufrichtig.

drum keim sünder die christlich gmein

versage die buß tüchtig.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 306-308.
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