Der Mondbrunnen

[35] Doch als sie wieder sich in Träumen wiegte

und schwer an meiner müden Schulter lag,

gedachte ich, da leuchtend wie der Tag

der Mond sich an die hohen Dächer schmiegte,


der Lust, wie sie seit Jahren mich bekriegte

und meinen Stolz mit weichem Wellenschlag

und tausend Armen immer tiefer brach –

oh daß sie doch gleich einem Quell versiegte,


auf den man einen Block aus schwerem Golde

wälzt! Da, ohne Ende unaufhaltsam rollte

ein Strom von Reinheit von den Dächern nieder,


der türmte sich zwischen den steilen Mauern

zu einem lichten Brunnen hoch und unter Schauern

kam meine reine Seele aus ihm wieder.


Quelle:
Gustav Sack: Gesammelte Werke. Band 2, Berlin 1920, S. 35.
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