In der Villa

[495] Nach Jahren, die mir trüb geschwunden,

Neu trat ich in das Gartenthor,

Und wieder stiegen sel'ge Stunden,

Hier süß genossen, mir empor.


Nun öde und mit Spinngewebe

Die Hausaltane überdeckt!

Zerfallen des Geländers Stäbe,

Der Pfad in Unkraut tief versteckt!


Ich warf am Teich bei der Cypresse

Mich nieder an den morschen Stamm,

Wo neben mir in Leichenblässe

Der Mond auf gelben Wellen schwamm;


Und während an des Fensters Gittern

Mir festgebannt das Auge hing,

Hört' ich, wie ein unheimlich Zittern

Hin längs der öden Mauern ging.


Auf den Balkon sah ich sie treten,

Ihr Schleier weh'nd in Abendluft,

Und rings quoll von den Gartenbeeten

Entgegen ihr ein matter Duft.
[495]

Halb wieder stieg aus der Fontäne

Der lang versiegte Wasserstrahl; –

Ich fühlte, wie sich eine Thräne

Aus meinem Auge bebend stahl.


Bald wieder alles tot; mir starrten

Die Blicke noch zum Fenster bang,

Als in den wüst-verfallnen Garten

Des Morgens fahler Schimmer drang.


Einst Sitz von Wonnen ohnegleichen,

Zum öden Friedhof ward er nun!

Warum, mein Herz, noch über Leichen

Nachtwandeln? – Geh auch du, zu ruhn!

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 495-496.
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