1.

[4] Als die Burg Plesse erbaut werden sollte, glaubten die Leute allgemein, die Burg könne nicht erobert werden, in deren Fundamente ein lebendiges Kind eingemauert würde. So sollte nun auch in dem Fundamente der Plesse ein Kind lebendig eingemauert[4] werden. Deshalb wurde in allen Gemeinden bekannt gemacht, wer ein Kind hierzu hergeben wolle, der solle eine Summe Geldes dafür erhalten. Lange wollte sich niemand finden, der dazu bereit gewesen wäre: endlich aber verkaufte eine Frau aus Reiershausen ihr taubstummes, dreijähriges Kind für 300 Dreier. Als nun das Kind eingemauert werden sollte, erhielt es mit einem Male die Sprache und sagte: Mutter-Brust war weicher als ein Kißchen, aber Mutter-Herz war härter als ein Stein. Und so wurde das Kind eingemauert.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 4-5.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.