2.

[150] In alten Zeiten hat es Hünen gegeben, die sind von so gewaltiger Größe gewesen, wie es heut zu Tage gar keine Leute[150] mehr gibt. Da sind einmal zwei Hünen von Uslar hergekommen, haben eine ganze Kirche auf eine eiserne Bahre genommen und aus dem Sollinge nach dem Weißen Wasser bei Kalefeld getragen. Als sie nun damit bei Hohnstedt an die Leine kommen, da spricht der vordere zu dem hinteren, welcher blind war:


dau en beten wîe strîe (Schritte),

hier is‘ne kleine rîe (Rinne),


– die Leine war aber an dieser Stelle gerade ziemlich breit. – Sie gehn hinüber und wandern von da weiter dem Weißen Wasser zu. Als sie bei diesem angekommen sind, sprechen sie zu einander: wir wollen hier erst ein wenig rasten und stellen die Bahre hin. Als sie dieselbe aber wieder aufnehmen wollen, zerbricht sie, sinkt in den Boden und bildet so das Fundament der Kirche, welche die beiden Hünen da stehen lassen musten. Auf diese Weise ist die Kirche dahin gekommen und steht daselbst noch bis auf den heutigen Tag.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 150-151.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.