Jubiläum der Universität Heidelberg

[78] (1386-1886.)


Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat;

lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein.

O Herr, hilf; o Herr, laß wohl gelingen!

Psalm 118, V. 24 und 25.


Nun grüß' dich Gott, Altheidelberg!

Laut rufen alle Glocken

Vom Heil'gen Geist durch Tal und Berg

Zu jubelndem Frohlocken:[78]

Fünfhundert Jahr' – ein hohes Wort,

Doch lang' noch nicht das hehrste;

Blüh' du nur glückhaft tausend fort,

Dann kommt das tausend erste.


Ein Segen ist's der Wissenschaft,

Stets Neues zu gestalten

Und gleich des Frühlings Zauberkraft

Lichtspendend nie zu alten.

Wer sich in solchem Jungbrunn feit,

Fühlt jung sein Herzblut kreisen,

Solang' ums Schloß im Maienkleid

Die Wälder Knospen weisen.


Dem Kurfürst Ruprecht ward der Ruhm,

In rauher Zeit der Waffen

Hier ein geweihtes Heiligtum

Des Studiums zu schaffen.

Und treulich half ein frommer Mann

Das Bildungswerk vollbringen,

Den er sich in Paris gewann:

Marsilius ab Inghen.


Wer nennt sie all' von nah und fern

In Kutten und Talaren

Die hier intitulierten Herrn

Magister und Scholaren?

Wetteifernd wie um Pfingstenzeit

Sich Blüte drängt an Blüte,

Tat jeder seine Schuldigkeit,

Doch in verschiedner Güte.


Scholastiker und Humanist,

Schiffhut, Barett, Perücken

Erprobten Kunst, Talent und List

In wechselnden Geschicken:[79]

Gottlob, daß starrer Zunftverstand

Nie Zeit fand, lang' zu schaden,

Und neu als Stifter auferstand

Karl Friederich von Baden.


Des Ahnherrn weise Milde hat

Sein Enkel treu bewähret,

Den froh als höchsten Rektor Stadt

Wie hohe Schule ehret.

Ruperto-Karolina will

Beschirmt durch Friedrich strahlen:

Ob ihr und ihm schwebt hoch und still

Der Stern des Idealen.


Und jubelnd dürfen alt wie jung

Spät nach vielhundert Jahren

In heiliger Begeisterung

Wied'rum des Weges fahren:

Der Geist ist's, der das Rechte weist,

Der Wahrheit schafft und Leben,

Der starke, freie, deutsche Geist,

Der uns das Reich gegeben!


Heil allen, die im Wissensschacht

Nicht Müh' noch Arbeit scheuten,

Die manche Nacht durchdacht, durchwacht

Und sich der Jugend freuten.

Und Heil der Stadt, wo Schöpfungspracht

Mit Weisheit im Vereine:

Ein brausend Hoch sei dir gebracht,

Altheidelberg, du Feine!

Quelle:
Joseph Viktor von Scheffel: Kritische Ausgabe in 4 Bänden, Band 1, Leipzig/ Wien 1917, S. 78-80.
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